Der Stuttgarter Gemeinderat wird am Donnerstag die Kooperation von EnBW und Stadtwerken Stuttgart endgültig absegnen. Für ihren Anteil bezahlt die Stadt 191 Millionen Euro. Bürgerinitiativen bemängeln, dass die Verträge geheim bleiben.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Überraschungen dürfte es keine mehr geben: Alle Fraktionen außer der SÖS-Linke-Plus werden am Mittwoch im Verwaltungsausschuss und am Donnerstag im Gemeinderat für die Kooperation von Energie Baden-Württemberg (EnBW) und Stadtwerken Stuttgart beim Strom- und beim Gasnetz stimmen. Damit wäre der Schlussstein unter ein jahrelanges Verfahren gesetzt, das das Ziel hatte zu bestimmen, wer künftig die lukrativen Energienetze in Stuttgart betreibt.

 

Diese starke Mehrheit im Gemeinderat hat sich auch durch den recht holprigen Start der Kooperationsgesellschaft nicht verändert. Wer das wirtschaftlich interessante Hochspannungsnetz beim Strom und das Hochdrucknetz beim Gas betreibt, dies werden EnBW und Stadtwerke wohl vor Gericht klären müssen. Und auch die Kritik mancher Bürgerinitiativen wird die Gemeinderäte nicht mehr zum Umdenken bewegen. Das Klima- und Umweltbündnis Stuttgart hat jetzt in einem Brief an alle Stadträte gefordert, die Verträge zumindest öffentlich zu machen, damit sich die Bürger selbst ein Bild machen können.

Bürger fürchten Fußangeln in den Verträgen

Manfred Niess vom Bündnis befürchtet nämlich, dass die Stadträte über etwas abstimmen, das sie gar nicht kennen: Da die Verträge sehr umfassend seien, hätten die Stadträte nur Zusammenfassungen enthalten. Die Vorlage für die Stadträte selbst umfasst gerade einmal acht Seiten. Bei den Cross-Border-Leasing-Verträgen vor einigen Jahren sei dies genau so gewesen: „Und als es schief ging, wollte niemand verantwortlich sein“, so Niess. In Berlin sei vor kurzem der Wasservertrag mit Veolia und RWE aufgeflogen – dieser habe, wie bekannt wurde, eine Garantie des Senats enthalten, dass die Käufer eine Mindestrendite von sechs Prozent bekämen. Ganz grundsätzlich befürchtet das Bündnis, dass der Vertrag „eher zum Wohl des EnBW-Konzerns“ beitrage.

Auch ein Initiativkreis von Stuttgarter Umweltgruppen wendet sich gegen den Beschluss. Man dürfe die Stadt „nicht wieder den Interessen der EnBW überlassen“, heißt es in einem Aufruf. Nicht umsonst sei Stuttgart, was erneuerbare Energieerzeugung anbelange, immer noch eine Wüste. Am Donnerstag um 16 Uhr wollen die Gruppen die Gemeinderäte deshalb demonstrierend im Rathaus empfangen.

EnBW übernimmt auf zehn Jahre viele Dienstleistungen

Sven Matis, der Sprecher der Stadt Stuttgart, hält die Geheimhaltung der Verträge dagegen für unumgänglich. Es stünden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in dem Vertragswerk, zudem „unternehmensspezifische und vertrauliche Geschäftsdaten“ der neu gegründeten Kooperationsgesellschaften. Angeblich soll aber vor allem die EnBW auf die Geheimhaltung gepocht haben, weniger die Stadtwerke, hört man aus unterrichteten Kreisen. Die Städteräte hätten aber, betont Sven Matis, die Möglichkeit gehabt, „nach der Abgabe einer entsprechenden Vertraulichkeitserklärung“ in einem Datenraum die Verträge und Gutachten einzusehen. Wie man hört, ist diese Möglichkeit nicht von allzuvielen Stadträten genutzt worden.

Dem Vernehmen nach sollen in dem Vertrag aber tatsächlich keine Nebenabreden vorkommen. Doch gebe es mit zehn Jahren eine recht lange Kündigungszeit für die vielen Dienstleistungen, die die EnBW für die neue Kooperationsgesellschaft erbringt. „Der Vertrag sorgt dafür, dass die EnBW lange im Boot bleibt“, sagt ein Insider: „Aber es ist das gute Recht der EnBW, dies so anzubieten.“ In der Tat listet die Gemeinderatsvorlage auf, in welchen Bereichen die EnBW Dienstleistungen auf Dauer übernimmt; dazu gehört der IT-Bereich, der Betrieb der Netzleitstelle, der Messstellenbetrieb mit Netzabrechnung, das Energiedatenmanagement, die Materialwirtschaft sowie das Rechnungswesen.

Bei der Sitzung des Energie-Unterausschusses und bei der Sitzung des Aufsichtsrates der Stadtwerke, die beide vor kurzem stattgefunden haben, seien keine grundsätzlichen Bedenken mehr geäußert worden, heißt es. Die große Mehrheit ist der Ansicht, dass die Kooperation von EnBW und Stadtwerken auf 20 Jahre ein gutes Modell ist. Die Grünen hätten sich kaum zu Wort gemeldet, was mancher als Zeichen ansieht, dass die früher sehr EnBW-kritische Fraktion ihrem OB Fritz Kuhn in diesem Punkt in Nibelungentreue ergeben sei.

In fünf Jahren hat die Stadt die Mehrheit bei den Netzen

Künftig werden das Strom- und Gasnetz nicht mehr von der EnBW allein, sondern von einer Betreiber- und einer Eigentümergesellschaft geführt. In der Betreibergesellschaft hat die EnBW vorerst mit 74,9 Prozent die Mehrheit; sowieso managt die EnBW bis zum Abschluss der Entflechtung die Netze allein. Dies wird vermutlich zum 1. Januar 2016 der Fall sein. In der Eigentümergesellschaft haben die Stadtwerke dagegen von Anfang an mit 74,9 Prozent die Mehrheit. Zum 1. Januar 2019 sollen die beiden Gesellschaften verschmelzen und die Stadtwerke bestimmen bei Eigentum und Betrieb. Dies ist für viele Stadträte der eigentliche Vorteil: In nur fünf Jahren übernehmen die Stadtwerke das Ruder beim Strom- und Gasnetz.

Die Stadt bezahlt für ihre Anteile an beiden Gesellschaften sowie für „einmalige Aufbauleistungen“ der EnBW zusammen 191 Millionen Euro.