Die Kooperation von Stadtwerken Stuttgart und EnBW beim Strom- und Gasnetz in Stuttgart ist jetzt beschlossen. Bürgerinitiativen und SÖS/Linke üben dennoch heftige Kritik: Sie hätten eine Alleinkonzession der Stadtwerke bevorzugt.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Es ist am Mittwoch im Verwaltungsausschuss des Gemeinderats noch einmal richtig emotional geworden: Ungewöhnlich scharf griff Grünen-Chef Peter Pätzold den Vorsitzenden von SÖS/Linke, Hannes Rockenbauch, an; OB Fritz Kuhn forderte von dem Stadtrat sogar eine Entschuldigung. Doch Rockenbauch blieb bei seiner Meinung, dass die Stadtwerke Stuttgart alleine das Strom- und das Gasnetz hätten betreiben sollen: „Sie haben das beste Angebot abgegeben.“

 

Doch es kommt anders. Alle Fraktionen außer SÖS/Linke haben im Verwaltungsausschuss der auf 20 Jahre angelegten Kooperation von Stadtwerken und Energie Baden-Württemberg (EnBW) zugestimmt. Die Formulierung „historischer Tag“ fiel mehrfach, denn nach dem Stromvertrieb und der -erzeugung ist die Stadt damit wieder in den Betrieb der Netze eingestiegen – auch wenn die Stadtwerke erst im Jahr 2019 in der Betriebsgesellschaft die Mehrheit erhalten werden. Der Beschluss am Donnerstag im Gemeinderat (Sitzungsbeginn: 16.30 Uhr) ist nur noch Formsache.

Vorläufig gehen die Rechtsanwälte, die die Stadt im Verfahren begleitet haben, von einer jährlichen Rendite des eingesetzten Eigenkapitals von fünf Prozent vor Steuern aus – beim Strom seien es 4,9 Prozent, beim Gas 5,4 Prozent. Allerdings beruhten die Annahmen noch auf Zahlen von 2011.

In fünf Jahren haben die Stadtwerke das alleinige Sagen

Peter Pätzold betonte, dass die Stadt 2009 die Konzessionen noch einfach neu an die EnBW habe verpachten wollen. Insofern sei das jetzige Ergebnis eine „große Leistung“, was auch mit der veränderten Mehrheit im Gemeinderat zu tun habe – ein bisschen Wahlkampf klang am Mittwoch schon an im Verwaltungsausschuss.

Für Pätzold erhält die Stadt nun in der relativ kurzen Zeit von fünf Jahren die Verfügungsgewalt über die Netze zurück und kann in der Energiewende eine eigene Politik verfolgen. Bernd Klingler (FDP) nannte zwei weitere Gründe, die für die Kooperation sprächen: Es gebe eine gute Rendite bei „relativ geringem unternehmerischem Risiko“, und mit der EnBW sei die Versorgungssicherheit am besten gewährleistet. Manfred Kanzleiter (SPD) sieht in der fünfjährigen Übergangsfrist die „kürzestmögliche Zeit“, um zu einer kommunalen Führung zu kommen. In Metzingen, wo die Stadt die Konzessionen alleine übernehmen will, streite man seit drei Jahren mit der EnBW. Da kamen die ersten Zwischenrufe aus dem Publikum: „Wenn die EnBW die Sache eben verschleppt“, hieß es.

SÖS/Linke wird eine „Politik der Desinformation“ vorgeworfen

Hart ins Gericht gingen Pätzold und auch CDU-Chef Alexander Kotz mit Hannes Rockenbauch. Die SÖS/Linke betreibe eine „Politik der Desinformation“, sagte Pätzold – Rockenbauch verbreite das Gerücht, dass die Grünen eine Direktive von der grün-roten Landesregierung erhalten hätten, für die EnBW zu stimmen; und man tue so, als handele es sich bei der EnBW um eine „ausländische Verbrecherorganisation“. Oberbürgermeister Kuhn forderte Rockenbauch auf, sich für diese Unterstellungen zu entschuldigen.

Das tat der Stadtrat mitnichten, sondern er verteidigte seine Position. Erstens habe der Gemeinderat eine falsche politische Entscheidung getroffen, indem man ein Modell vorgegeben habe, bei dem die Stadtwerke nicht von Anfang an das Sagen hätten. Zweitens seien die Bewertungen der Angebote subjektiv, auch wenn ein objektives Verfahren suggeriert würde. Und drittens hätte die Stadt zunächst ihr Energiekonzept entwickeln müssen, um auf dieser Grundlage den besten Bewerber herauszusuchen. Das sei versäumt worden.

Bewertungen werden nicht offen gelegt

Auch die Bürgerinitiativen „Kommunale Stuttgart“ und „Aktion Stadtwerke“ kritisieren die Entscheidung heftig. So sei die EnBW beim Kriterium „Sicherheit und Zuverlässigkeit des Betriebs“ auf den ersten Platz gesetzt worden, obwohl das Unternehmen derzeit massive wirtschaftliche Probleme habe, sagte Michael Fuchs von der Initiative Kommunale Stadtwerke. Er befürchtet zudem, dass die EnBW in den fünf Jahren wichtige Punkte so fixieren werde, dass die Stadt vieles nicht mehr ändern könne. „Die EnBW muss jetzt beweisen, dass sie kein Bremsklotz mehr für die Energiewende ist“, sagte Fuchs. Bisher seien ihm aber keine innovativen Netzprojekte in Stuttgart bekannt.

Die Initiativen und Hannes Rockenbauch fordern, dass die Bewertungen der Angebote offengelegt werden. Der städtische Anwalt Matthias Albrecht wies dies zurück: Die Zahlen seien vertraulich.