In der bayerischen Landeshauptstadt München bleibt es am Donnerstagmorgen ein bisschen länger dunkel. Doch so richtig störte das nur wenige und am Ende kam die Sonne raus.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - „War blöd“, echot unisono die indischstämmige Besatzung der Reinigung, wo an der Ecke Rosenheimer/Anzingerstraße. Dort müssen Münchner Polizisten auch um elf Uhr in der Früh noch einer Tätigkeit nachgehen, die sie zwar mal gelernt haben, aber nur selten anwenden müssen: manuelle Verkehrsregelung. Tote Ampeln, der ungewöhnlich massive Verkehr und die Waschmaschinen, die zwei Stunden lang nicht liefen: das sind die letzten Symptome des großflächigen Stromausfalls, der München am Donnerstag mitten im morgendlichen Berufsverkehr ereilt hat. Da lag ein leiser Hauch New York über der Landeshauptstadt, man bekam eine Idee vom Chaos in der US-Metropole zwei Wochen davor – allerdings ohne vorangehenden Wirbel- oder Wintersturm. Und, zum Glück, zeitlich begrenzt.

 

Laut Auskunft der Münchner Stadtwerke waren bis zu 450 000 Menschen von dem Stromausfall betroffen. Von Bogenhausen im Nordosten bis nach Aubing im Westen leuchtete kein Lämpchen mehr. Nach den Ursachen für den Blackout wird weiter geforscht. In einer ersten Bestandsaufnahme vermuteten die Stadtwerke, dass es eine Stromspitze an einer Freileitung in Moosburg in der Nähe von Freising gegeben habe, wo bis zum Mittag die Energieversorgung schwierig war. Über Moosburg sind Leitungen der Stadtwerke mit denen des Energieriesen Eon verbunden. Daraufhin habe sich eine Art Kettenreaktion in Umspannwerken in Unterföhring und Bogenhausen ereignet. In der dortigen Elektrastraße hatte es gegen 7 Uhr laut Augenzeugenberichten gebrannt. Eon wies die Vorwürfe zurück.

Veraltete Netze und schleppender Ausbau

Am Donnerstag mischte sich der Energietechnik-Professor Albert Claudi ein: Wegen veralteter Netze und deren schleppendem Ausbau drohe Deutschland eine Zunahme von Stromausfällen. So seien Investitionen in die Netze und die Aufwendungen für die Wartung reduziert worden. „Man versucht auch, etwa Transformatoren länger zu betreiben, über die Lebensdauer hinaus“, sagte der Forscher.

In München waren zunächst die Folgen des aktuellen Stromausfalls zu bewältigen. Binnen zwei Stunden gingen bei der Polizei bis zu tausend Notrufe ein. Mehr als fünfzig Mal rückte die Feuerwehr aus, wobei in den meisten Fällen Menschen aus steckengebliebenen Aufzügen in Privathäusern und Firmen befreit wurden. Fälschlicherweise lösten viele Feuermelder Alarm aus. Vorsorglich wurde die Gefahrenabwehr aktiviert. Einen vergleichbaren Stromausfall habe es zuletzt 1992 gegeben, sagte ein Polizeisprecher. Obwohl der Strom auch in den großen Krankenhäusern der Stadt ausfiel, kam es zu keinen ernsthaften Zwischenfällen. Dieselstromaggregate übernahmen die Versorgung. Bereits um 8 Uhr waren fast alle Stadtteile wieder am Netz.

Massive Verspätungen

Für einiges Durcheinander sorgten die Verhältnisse im sowieso anfälligen S- und U-Bahnnetz. Dort kam es zu Ausfällen und massiven Verspätungen. Zwar bezieht die Bahn den Strom für die S-Bahn-Züge aus einem separaten Netz; doch der Betreiber hatte auf Notbeleuchtung geschaltet und zwischen 7.30 Uhr und 8 Uhr auch auf Durchsagen verzichten müssen. Zudem gaben Rolltreppen den Geist auf. Viele Pendler stiegen aufs Auto um, was die Lage nicht besser machte.

Pünktlich zum Zwölfeläuten jedoch hatte sich die Situation auch innerstädtisch dank des traditionell geduldigen Umgangs der Bevölkerung mit falschen Aufgeregtheiten beruhigt. Dazu trug das ringsum sich entwickelnde herrliche Spätherbstwetter bei: Münchens Süden hatte einen Gang zurückschalten müssen; später erwartete die ganze Stadt ein strahlender Novembersonnentag.