Trotz der anhaltenden Blockadehaltung Bayerns pochen die großen Netzbetreiber auf die Notwendigkeit, massiv in Stromleitungen zu investieren. Aktuelle Planungen sehen sogar einen leicht höheren Ausbaubedarf – auch im Südwesten

Stuttgart -

 

Der Streit geht weiter: während in Deutschlands Südosten der dortige Regierungschef Horst Seehofer (CSU) unbeirrt gegen neue Strommasten kämpft, schreiten die Planungen für den Ausbau des Netzes voran. Am Dienstag haben die vier großen Stromnetzkonzerne Deutschlands, 50Hertz, Amprion, Tennet TSO und TransnetBW, der Bundesnetzagentur die überarbeitete Fassung des Netzentwicklungsplans 2014 überreicht.

Und der wird Seehofer und so manchem anderen Bayern nicht gefallen: Denn entgegen der Hoffnung so mancher Bürgerinitiative entlang der im Freistaat geplanten Trassen halten die Netzbetreiber daran fest, dass ein massiver Ausbau der deutschen Hochspannungsleitungen notwendig ist, um den Veränderungen der deutschen Energielandschaft gerecht zu werden.

Bayern wäre theoretische einer der Hauptprofiteure

Dabei wäre Bayern theoretisch – neben Baden-Württemberg – einer der Hauptprofiteure des Ausbaus: Denn schließlich stehen die zur Abschaltung vorgesehenen Atomkraftwerke vor allem im Süden; der Ausbau der Windkraft aber, der einen großen Teil der erneuerbaren Energieversorgung tragen soll, kommt aus Norddeutschland. Die teils verstärkten, teils neuen Stromtrassen sollen nicht zuletzt den Transfer des norddeutschen Windstroms in den Süden gewährleisten.

Schon im April hatten die Übertragungsnetzbetreiber einen Bedarfsplan vorgestellt, der festlegt, von wo nach wo in den kommenden zehn Jahren voraussichtlich wie viel Strom geliefert werden muss. Dabei geht es noch nicht um konkrete Trassenführungen, sondern zunächst nur um den Versuch, die prognostizierte Stromerzeugung in Deutschland mit dem prognostizierten Verbrauch in Einklang zu bringen.

Insgesamt 26 064 Stellungnahmen sind eingegangen

Die novellierte Fassung des im April vorgelegten Planes berücksichtigt nun auch die Folgen des neuen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), das im August in Kraft getreten ist. Zudem wurden Stellungnahmen aus der Öffentlichkeit berücksichtigt. Deren Zahl ist gigantisch: Insgesamt 26 064 Stellungnahmen sind in nur sechs Wochen bis Ende Mai bei den vier Übertragungsnetzbetreibern eingegangen.

Viele davon stammten, so eine Sprecherin des Südwest-Übertragungsnetzbetreibers TransnetBW, aus Süddeutschland und betrafen die Leitungen, die in Baden-Württemberg beziehungsweise Bayern enden sollen (siehe Karte). Bei 98 Prozent der Schreiben, so heißt es in einer Faktenübersicht zum neuen Netzentwicklungsplan, habe es sich um Serienbriefe gehandelt. Solche Formulare finden sich oft auf den Internetseiten von Bürgerinitiativen, die damit Netzausbaugegnern den Protest erleichtern wollen.

In Baden-Württemberg soll es einen neuen Endpunkt geben

Am Bedarf an sich haben diese beiden Faktoren – neues EEG und Stellungnahmen – nicht viel geändert, sie haben aber zu Änderungen im Detail geführt. In Baden-Württemberg etwa schlagen die Netzbetreiber jetzt einen neuen, weiteren Endpunkt der Südlink-Trasse (siehe Karte) vor: ein Abzweig soll bis in den Raum Wendlingen und damit näher an den Industriestandort Region Stuttgart führen. Im Nebeneffekt würde damit die Wechselstromleitung von Bünzwangen nach Goldshöfe obsolet. Gegen sie gab es so energischen Widerstand, dass TransnetBW die Planung bereits vor einem Jahr auf Eis gelegt hatte.

Allerdings waren es offenbar nicht die Proteste, die zu der Umplanung geführt haben, sondern eher Hinweise der Bundesnetzagentur und in den Stellungnahmen, die darauf drangen, mit der Trasse näher an den Raum Stuttgart zu rücken. Die großen Trassen, die gerade diskutiert werden, sind – anders als Stromleitungen in Deutschland bisher – als Gleichstromtrassen geplant. Über große Distanzen von einigen hundert Kilometern ermöglichen sie einen verlustärmeren Stromtransport als übliche Wechselstromleitungen. Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) begrüßte den Vorschlag, Südlink bis Wendlingen weiterzuführen, in einer Stellungnahme als „vernünftig“.

Die Netzkonzerne wollen nur bauen, was unbedingt nötig ist

Weitere Änderungen betreffen beispielsweise die östliche Trasse, die nach Berechnungen der Netzbetreiber sinnvollerweise schon im Raum Magdeburg beginnen sollte und nicht wie bisher geplant erst im gut 100 Kilometer südlich gelegenen Lauchstädt. Als Ende der Südost-Passage schlagen die Planer zudem Gundremmingen statt Meitingen vor, was eine Verlagerung um etwa 35 Kilometern nach Westen bedeuten würde. Anpassungen gibt es darüber hinaus ganz im Norden, wo die Planungen an den geplanten Ausbau von Windparks auf dem offenen Meer angepasst worden sind.

Insgesamt soll der Ausbau nach dem Nova-Prinzip erfolgen – Netzoptimierung vor -verstärkung vor -ausbau. Kurz: die Netzkonzerne wollen nur bauen, was unbedingt notwendig ist, davon so wenig wie möglich neu. Das Gesamtvolumen der Investitionen ist dennoch beträchtlich und wird in dem Netzentwicklungsplan aktuell auf 22 bis 26 Milliarden Euro taxiert.

Den nun in der überarbeiteten Fassung vorgelegten aktuellen Netzentwicklungsplan prüft erst einmal die Bundesnetzagentur und stellt ihn anschließend erneut zur öffentlichen Konsultation. Dass es nicht immer so kommen muss, wie es die Netzbetreiber vorschlagen, zeigt das Projekt Korridor B, einer zusätzlichen Trasse, die vom niedersächsischen Wehrendorf ins hessische Urberach führen soll. Die Leitung steht bereits seit zwei Jahren auf dem Wunschzettel der Netzbetreiber – und wird seither stets von der Bundesnetzagentur gestrichen.