Wenn der Stromanbieter die Preise erhöht, haben Kunden ein Sonderkündigungsrecht. Trotzdem funktioniert der Anbieterwechsel nicht immer reibungslos.

Stuttgart - Am 1. Januar erhöht sich die Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien auf mehr als fünf Cent pro Kilowattstunde. Damit steigen auch die Strompreise für die Endkunden. Doch trotz des insgesamt höheren Niveaus gibt es weiterhin große Preisunterschiede zwischen den Stromlieferanten, die sich übers Jahr gerechnet leicht auf mehrere Hundert Euro addieren. Um sie zu nutzen, muss man zu einem günstigeren Anbieter wechseln. Dabei gibt es einiges zu beachten.

 

Wer Strom im Rahmen eines Grundversorgungstarifs des örtlichen Lieferanten bezieht, kann seinen Vertrag nach der Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) mit einer Frist von zwei Wochen zum Ende jedes Monats kündigen – ganz unabhängig von eventuellen Preisänderungen. Bei Tarifen außerhalb der Grundversorgung gelten in der Regel längere Fristen. Doch auch hier gibt es bei Preiserhöhungen nach vorherrschender Rechtsauffassung ein Sonderkündigungsrecht. Dazu muss die Kündigung spätestens einen Monat vor Inkrafttreten der neuen Preise beim Anbieter sein. Weil die Kunden erst sechs Wochen vor Inkrafttreten der Preiserhöhung informiert werden müssen, bleiben knapp zwei Wochen, um zum frühestmöglichen Termin zu wechseln. Anders als beim regulären Anbieterwechsel, bei dem der neue Versorger die Kündigung beim alten übernimmt, sollte man die Sonderkündigung selbst in die Wege leiten und dies dem neuen Lieferanten mitteilen.

Doch selbst bei rechtzeitiger Kündigung läuft es nicht immer rund. So auch bei Fritz Maier (Name geändert). Der Stuttgarter hatte sich auf das Sonderkündigungsrecht berufen und seinem Versorger am 23. November gekündigt, nachdem dieser eine Preiserhöhung zum 1. Januar 2013 angekündigt hatte. Das Unternehmen wies die Kündigung zurück. Die EEG-Umlage zur Ökostromförderung sei ein separater Preisbestandteil, der unverändert weitergegeben werde, heißt es in der Antwortmail. Und weiter: „Leider können wir daher zu unserem Bedauern nicht darauf verzichten, den geringfügigen Anstieg der hoheitlich veranlassten Belastung in unveränderter Form an Sie als Stromkunde weiterzureichen. Ein Sonderkündigungsrecht besteht hier nicht.“

Verbraucherzentrale Bundesverband bezweifelt Wirksamkeit

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Unternehmens steht zwar, dass der Kunde bei einer Änderung der Preise das Recht hat, „den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen zu kündigen“. An anderer Stelle heißt es jedoch, dass die „eingeschränkte Preisgarantie“ des gewählten Tarifs die Weitergabe steigender staatlicher Lasten wie der EEG-Umlage erlaube. Weil Maier keine Lust auf eine längere Auseinandersetzung hat, wird es nun etwas länger dauern, bis er den Anbieter wechseln kann. Die reguläre Kündigungsfrist beträgt in seinem Fall sechs Wochen zum Quartalsende.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (Vzbv) bezweifelt die Wirksamkeit solcher und ähnlicher AGB-Klauseln. Vzbv-Energiereferent Thorsten Kasper verweist auf Paragraf 41 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). „Ändert der Lieferant die Vertragsbedingungen einseitig, kann der Letztverbraucher den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen“, heißt es dort. Auch eine Preisanhebung stelle eine Änderung der Vertragsbedingungen dar – unabhängig davon, wie sie begründet wird, sagt Kasper. „Vom Wortlaut des Gesetzes her ist deshalb bei Preiserhöhungen auch dann eine Sonderkündigung möglich, wenn der Versorger auf höhere staatliche Abgaben verweist.“

Kasper räumt aber ein, dass es auch andere Rechtsauffassungen gibt. „Wenn die Preiserhöhung die Anhebung der staatlichen Abgaben und Umlagen nicht übersteigt, hat der Kunde unserer Ansicht nach kein Sonderkündigungsrecht“, sagt beispielsweise eine Sprecherin des Internet-Vergleichsportals Verivox. Voraussetzung dafür sei ein entsprechender Hinweis in den AGB – der sich dort auch in fast allen Fällen finde. Würden die Preise stärker angehoben als die Abgabenlast, liege der Fall anders: „Dann besteht nach unserer Meinung ein Sonderkündigungsrecht“, heißt es bei Verivox. Um die Angemessenheit einer Erhöhung zu prüfen, muss man allerdings etwas rechnen, weil auf die gestiegenen Abgaben wie EEG-Umlage oder Netzentgelte auch noch Steuern aufgeschlagen werden.

Am Ende bleibt der Gang vors Gericht

Im Zweifel kann auch ein Blick aufs Kleingedruckte helfen. „In den AGB gibt es Preisanpassungsklauseln, die rechtsgültig sind, und andere, die es nicht sind. Deshalb muss man den Einzelfall prüfen“, heißt es bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Wenn ein Versorger die Sonderkündigung ablehnt, sollte der Kunde noch mal nachhaken, rät die Verivox-Sprecherin. Hilft das nicht weiter, können Verbraucher die im November 2011 gegründete Schlichtungsstelle Energie anrufen. Diese hat im ersten Jahr ihres Bestehens 14 000 Fälle bearbeitet und nach eigenen Angaben in gut 90 Prozent davon eine Einigung erzielt. In knapp der Hälfte der Fälle ging es um Probleme mit der Abrechnung wie falsch abgelesene Zählerstände oder Fehler in der Rechnung. 40 Prozent der Anfragen drehten sich um die Themen Vertragslaufzeit, Kündigung und Bonuszahlungen.

Wenn auch die Schlichtung zu keinem Ergebnis führt, bleibt nur der Gang vor Gericht. Und den scheuen die Stromkunden – zumindest wenn es um Probleme mit der Sonderkündigung wegen einer Preisanhebung geht. Ihm sei bislang keine Klage oder Gerichtsentscheidung in einem solchen Fall bekannt, sagt Vzbv-Experte Kasper. Das erklärt auch die unterschiedlichen Rechtsauffassungen bei diesem wichtigen Thema.

Seite 2: Vielfältiger Ärger mit Stromanbietern

Preise:
Bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gab es in diesem Jahr etliche Anfragen genervter Stromkunden. Einige trauten ihren Augen nicht, als ihr Versorger sie über Preisanhebungen von bis zu 200 Prozent informierte. Besonders ärgerlich: die Lockangebote blieben weiter bestehen. Die unweigerliche Preiserhöhung sei also „von vorneherein mit einkalkuliert“.

Termine:
In anderen Fällen mussten Kunden nach der Kündigung bis zu zwölf Monate auf die Endabrechnung warten. Dabei müsse diese spätestens sechs Wochen nach Ende der Lieferbeziehung fertig sein, so die Verbraucherschützer.

Boni
: Andere mussten versprochenen Boni oder Guthaben hinterherlaufen. Oft war es schwierig, bei Reklamationen jemanden per Telefon oder Mail zu erreichen. Zum Teil wurde auf Beschwerden gar nicht reagiert. Beim Internetportal Reclabox, das Reklamationen von Kunden sammelt, befinden sich übrigens unter den fünf auffälligsten Unternehmen drei Stromversorger.

Wechsel:
Hat man bereits gekündigt und der Wechsel verzögert sich, ist das nicht tragisch. Dann wird man weiter vom örtlichen Grundversorger bedient. Verbraucherschützer empfehlen Vertragslaufzeiten von nicht mehr als einem Jahr, damit man schnell auf Marktentwicklungen reagieren kann. Von Tarifen mit Vorkasse raten sie ab.