Die Unterschiede zwischen den sechs Studentenverbindungen in Hohenheim sind groß. In drei Verbindungen wird gefochten. Frauen sind nur bei der Agronomia erlaubt. Wir haben uns mit den Mitgliedern unterhalten, was sie heutzutage noch antreibt: Sind es nur die billigen Zimmer?

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Hohenheim - Wenn Mitte Oktober das neue Wintersemester beginnt, herrscht in Hohenheim traditionell große Wohnungsnot. Wer verzweifelt auf Zimmersuche ist, der stößt immer wieder auch auf Angebote von Studentenverbindungen. Diese inserieren ihre freien Zimmer in den Verbindungshäusern auf den gängigen Internetplattformen für Wohngemeinschaften wie etwa wg-gesucht.de.

 

Über die Suche nach einem Zimmer kam auch Fabian L. zu einer Hohenheimer Studentenverbindung: der katholischen deutschen Verbindung Carolingia, die ihr Verbindungshaus direkt an der Garbe hat. Obwohl er gerne mal öffentlich mit Vorurteilen über Studentenverbindungen aufräumen würde, will der 20-Jährige seinen vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen. Er befürchtet, dass er dann unangenehme Nachrichten auf Facebook erhält.

Die Älteren sind oft auch Türöffner für Jobs

„Bevor ich in Hohenheim begonnen habe, Wirtschaftswissenschaften zu studieren, hatte ich wenig Kontakt mit Studentenverbindungen“, sagt der gebürtige Heidelberger. Ihm war vor allem wichtig, dass die Verbindung nicht schlagend ist, es also keine Pflicht zum Fechten gibt. Obwohl er mittlerweile nicht mehr im Verbindungshaus an der Garbe wohnt, ist er fast täglich vor Ort. „Ich schätze den Austausch mit den Männern sehr und lerne hier.“

Er vergleicht Studentenverbindungen mit großen Wohngemeinschaften: „Jeder kennt sich, vor Prüfungen leisten wir uns Beistand und nach Partys trinken wir im Haus noch etwas zusammen.“ Er betont das besondere Gemeinschaftsgefühl – so wie dies alle Mitglieder von Studentenverbindungen tun, mit denen man spricht. Es werde Wert darauf gelegt, dass man sich gegenseitig helfe und unterstütze. Außerdem könnten sich die Studenten stets an die Alten Herren wenden, also an Mitglieder, die ihre Studienzeit schon länger hinter sich haben. Diese geben den Jüngeren Tipps oder öffnen ihnen hin und wieder auch eine Tür für eine Praktikumsstelle oder einen festen Job.

Die Mitglieder müssen eine Prüfung bestehen

In Hohenheim kommen auf knapp 10 000 Studenten sechs Studentenverbindungen: die Corps Germania, die Landsmannschaft Württembergia, die Burschenschaft Hohenheimia, die akademische Verbindung Agronomia, die katholische deutsche Verbindung Carolingia sowie die Wingolf-Verbindung Fraternitas Academica. Die ersten drei sind „schlagende Verbindungen“, was bedeutet, dass die Mensur, also das Fechten, dazu gehört.

Wer bei einer Studentenverbindung Mitglied werden will, muss die sogenannte Burschungsprüfung bestehen. Üblicherweise steht diese nach zwei Semestern an; die Mitglieder werden dann vom Fuchs zum Burschen. Dabei werden Lieder abgefragt sowie Wissen über die eigene und andere Verbindungen. Außerdem gibt es Fragen zum aktuellen Zeitgeschehen. Wer besteht, darf sich das dreifarbige Verbindungsband umhängen. Je nach Verbindung tragen die Mitglieder bei gewissen Anlässen zusätzlich eine Kopfbedeckung und festliche Kleidung – das kann ein Anzug oder die Uniform der Verbindung sein.

Wahl zwischen scharfer und stumpfer Klinge

Während die Mitglieder der Corps Germania und der Landsmannschaft Württembergia mit scharfer Klinge fechten müssen, entscheiden die Mitglieder der Burschenschaft Hohenheimia selbst, ob sie eine scharfe Mensur schlagen – sprich, ob sie mit scharfer oder stumpfer Klinge fechten. Beim zweimal wöchentlich stattfindenden Training teilnehmen und bei der Burschungsprüfung zeigen, dass sie die Mensur theoretisch beherrschen, muss aber jeder. „Etwa die Hälfte entscheidet sich dafür, mit scharfer Klinge zu fechten“, sagt Felix Witte (20). Ihm selbst bereite das Fechten Spaß: „Man hat eine Aufgabe vor sich und bereitet sich länger darauf vor. Das mache ich gerne“, sagt er. Fabian L. von der Carolingia sieht das anders: „Schon unser Glaube verbietet die Mensur: Die Nächstenliebe lässt sich nicht mit Fechten vereinbaren.“

Ebenfalls religiös orientiert ist die Wingolf-Verbindung Fraternitas Academica. „Wir sind sehr weltoffen, bei uns sind Menschen aus allen Ländern willkommen und wir haben unter den Mitgliedern auch einige homosexuelle Männer – nur der christliche Glauben muss vorhanden sein“, sagt Marc Fiebig (22). Weltoffenheit bedeute auch, alle politischen Strömungen zuzulassen: „Ein Alter Herr von uns ist beispielsweise AfD-Mitglied. Wir diskutieren da regelmäßig darüber – aber schlussendlich tolerieren wir alles, was nicht mit extremen politischen Positionen, religiösem Extremismus oder Ideologien zu tun hat.“ Die Mitglieder der Burschenschaft Hohenheimia legen großen Wert auf Politik. Die Hohenheimer Verbindung ist im Jahr 2009 aufgrund des Rechtsrucks aus dem Dachverband, der Deutschen Burschenschaft (DB), ausgetreten. „Bei uns sind alle politischen Strömungen vertreten, aber es muss ein Interesse für Politik bestehen“, sagt Felix Witte. Immer wieder werde auch über Politik diskutiert.

In einer Verbindung sind Frauen erlaubt

Häufiger Anlass für Kritik in Studentenverbindungen ist, dass nach wie vor in den meisten Bünden keine Frauen Mitglied werden dürfen. In Hohenheim sind bei fünf von sechs Verbindungen keine Frauen zugelassen. „Ich bin darüber, ehrlich gesagt, froh“, sagt Fiebig. „Im Jahr 1975 lebte einmal eine Frau mit im Haus und das ging ziemlich schief. Kurz darauf blieb das Haus für fünf Jahre geschlossen. Wir fürchten, dass so etwas wieder passiert, wenn Frauen aufgenommen werden.“

Die Mitglieder der Agronomia haben andere Erfahrungen gemacht:. Seit 1993 sind dort Frauen zugelassen. Mittlerweile ist die Geschlechterverteilung etwa ausgeglichen, sagt Sandra Ebert (25). Dass es viele Verbindungen mit der Tradition begründen, dass Frauen nicht zugelassen werden, versteht sie nicht so recht. „Früher durften ja auch nur Männer studieren und heute studieren wir gemeinsam – und es funktioniert.“ Aber das müsse jede Verbindung selbst wissen, sagen die beiden.

Alkohol gehört nicht überall zwingend dazu

Ein Zimmer in einem Verbindungshaus kostet in der Regel weniger als ein WG-Zimmer. So zahlt man bei der Fraternitas Academica mit allem rund 250 Euro. Trotzdem müssen die Verbindungen im Vergleich zu früher heutzutage deutlich aktiver werden, um neue Mitglieder zu gewinnen. „Die meisten kommen über die Zimmersuche“, sagt Sandra Ebert. Marc Fiebig ergänzt: „Früher waren Verbindungen an den Universitäten viel präsenter; fast jeder Student war Mitglied in irgendeiner Verbindung.“ Heute bestünden in den meisten Köpfen viele Vorurteile. „Es ist manchmal anstrengend, dass man sich permanent dafür rechtfertigen muss, dass man in einer Studentenverbindung ist“, sagt Fiebig.

Ein Vorurteil, das häufig geäußert wird, ist der Trinkzwang. „In manchen Studentenverbindungen wird tatsächlich sehr viel Alkohol getrunken“, sagt Fiebig. „Bei uns gilt aber beispielsweise das Mäßigkeitsprinzip.“ Generell seien die Verbindungen in Hohenheim, was den Alkoholkonsum, die politische Haltung und die Traditionen angehe, eher zurückhaltend und liberal.