Die Landtagsfraktion der Grünen hat den geforderten Fahrplan geprüft und sagt: Der Stuttgart-21-Tiefbahnhof bräuchte zehn Gleise.

Stuttgart - Die Landtagsfraktion der Grünen ist der Bahn bei der Erstellung eines Stresstests zuvorgekommen: Sie hat ihre Verkehrsexperten einen Fahrplan erstellen lassen, der Stuttgart 21 voll ausreizt und diesen untersucht. Man habe "eine klare Auskunft" über die frühestens im Sommer zu erwartenden Ergebnisse der Bahn-Simulation erhalten, heißt es in dem Papier, das der Stuttgarter Zeitung vorliegt. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) kommt darin zum Schluss, dass mit einem modernisierten Kopfbahnhof "mehr Züge für weniger Geld schneller und zuverlässiger durch die Region fahren als bei Stuttgart 21". Würde das Projekt realisiert, gebe es keinen Spielraum mehr für ein Wachstum des Schienenverkehrs, der aber in den vergangenen 20 Jahren in der Region um 30 Prozent gestiegen sei, betont der Stadtrat und Landtagsabgeordnete Werner Wölfle. Der Kopfbahnhof habe dagegen ohne Ausbau noch Leistungsreserven.

 

Der Technikvorstand der Bahn, Volker Kefer, hält diese Aussage für nicht nachvollziehbar. Die Bahn sei weder einbezogen noch über die Studie informiert worden. Die Resultate der Expertise kommentierte Kefer mit den Worten, es sei "viel zu früh", solche Aussagen zu machen. Die Bahn und das Verkehrsministerium zweifeln an den Aussagen des Nahverkehrsberaters Martin Hilger und den Professoren Karl-Dieter Bodack und Wolfgang Hesse, die in ihrem Schnelltest einen Fahrplan für die Spitzenstunde zwischen sieben und acht Uhr erstellt haben. Er umfasst die von Schlichter Heiner Geißler für S 21 geforderten 49 Züge. Die Behinderungen auf den Zulaufstrecken, etwa die Mitbenutzung durch die S-Bahn, nicht kreuzungsfrei angelegte Abzweigungen und eingleisige Abschnitte, wurden dabei berücksichtigt. Die Studie unterscheidet sich aber noch in einem weiteren Punkt von jener einst im Auftrag der Bahn erstellten Expertise, die den Entscheidungsträgern der Politik und dem Verwaltungsgerichtshof präsentiert worden war: Man habe alle "anerkannten Standards des Bahnverkehrs für Zugfolgen, Halte- und Fahrzeiten" angewendet.

Engpass auf den Fildern

So seien zwischen zwei Zügen mit gleicher Geschwindigkeit auf gleicher Strecke drei Minuten Mindestabstand kalkuliert worden, um einen Puffer für Verspätungen zu bilden. Sechs Minuten lägen zwischen der Ausfahrt eines Zuges aus einem Gleis des Tiefbahnhofs und der Einfahrt des nächsten Zuges in dasselbe Gleis.

Die Prüfung erfolgte in drei Schritten. Stuttgart 21 hat dabei am schlechtesten abgeschnitten. Lediglich 40 Zugfahrten in der Spitzenstunde seien möglich - und diese auch noch "unter deutlichen Einschränkungen der Betriebsqualität". Für sieben der 49 unterstellten Züge habe es keine freien Bahnsteige gegeben, zwei Züge aus Richtung Böblingen blieben im Engpass auf den Fildern stecken. "Unlösbare Trassenkonflikte" wurden auch bei der Einfädelung der Wendlinger Kurve ermittelt, wo eine ebenerdige Schienenkreuzung vorgesehen ist. Eine denkbare Lösung könnte sein, den Halt am Flughafen zu streichen oder Züge zwei Minuten früher losfahren zu lassen, um dann die gewonnene Zeit auf der Strecke wieder abzubummeln.

Notwendigkeit eines Baustopps

Auch Optimierungen wie den Erhalt der Gäubahn verhelfen dem Projekt laut Untersuchung nicht zur notwendigen Leistungsfähigkeit: So ermögliche auch "Stuttgart21 plus" nur 42 Zugfahrten im Tiefbahnhof. Indem man die Engpässe beseitige, erreiche man nur eine Erhöhung der Betriebsqualität auf Normalniveau. Mehr Zugfahrten seien nicht möglich. Nur in einem zehn- statt achtgleisigen Tiefbahnhof wären die geforderten 49 Zugfahrten möglich. Aber auch dann würde er im S-Bahn-Notbetrieb bei gesperrtem Innenstadttunnel kollabieren, und dies schon bei zwölf Zügen pro Stunde. Zudem müsste die Bahn erst nachweisen, dass der Einbau eines neunten und zehnten Gleises technisch möglich ist. Würde dies nötig, müsste ein neues Verfahren eingeleitet werden, das "viele Jahre kosten" würde, hatte Bahnchef Rüdiger Grube in der StZ betont. "Stuttgart 21 Super plus" würde zudem noch stärker in den Park eingreifen, so die Grünen.

Wegen der hohen Kosten für die Beseitigung der Engpässe und für die Erweiterung - im Gespräch sind zwischen 600 Millionen und einer Milliarde Euro - wäre der Superbahnhof auf jeden Fall unwirtschaftlich, betont Palmer. Die Grünen gehen von sechs statt der heute genannten vier Milliarden Euro aus. Aus dem Test lasse sich die Notwendigkeit eines sofortigen Baustopps ableiten, so Palmer, der alle Daten öffentlich machen will. Das Ergebnis der Bahn-Studie glaubt er bereits zu kennen: "Mehr Züge sind nicht möglich, allenfalls kann eine Simulation ergeben, dass wir sogar noch zu viele Fahrten vorgesehen haben."