Auch wenn eine Studie der Kassenärzte für Ärger bei den Kliniken sorgt – die Notfallversorgung muss auf neue Patientenströme reagieren.

Berlin - Neue Aufregung im Streit zwischen Kassenärzten und Kliniken um die Notfallversorgung: Laut einer Studie im Auftrag der Kassenärzte sind viele Notaufnahmen an deutschen Krankenhäusern nur wenig ausgelastet. Durchschnittlich werden dort demnach 1,7 Patienten pro Stunde versorgt. In England beispielsweise sind es dagegen elf, in Dänemark zehn Patienten pro Stunde.

 

Die Studie wurde vom Zentralinstitut der Kassenärztlichen Versorgung (Zi) erstellt. Dessen Geschäftsführer Dominik von Stillfried sagte, angesichts der vorgelegten Zahlen könne keine Rede davon sein, dass die Notaufnahmen von Patienten regelrecht überrannt würden, wie immer wieder behauptet werde. Lediglich „an einigen Standorten“ könne dies der Fall sein. Es gelte, die Lage von Region zu Region differenziert zu betrachten.

Laut von Stillfried birgt die geringe Auslastung für Patienten Risiken. Vor allem kleinere Notaufnahmen an Kliniken seien technisch und personell oft nicht gut genug ausgestattet. Das könne in Kombination mit mangelnder Erfahrung Komplikationsraten und Sterblichkeit erhöhen, so der Zi-Chef unter Berufung auf Zahlen aus den USA. Dort wiesen Notaufnahmen mit weniger als 2,3 Patienten pro Stunde die höchsten Sterblichkeitswerte auf.

Kliniken reagieren mit ätzender Kritik

In Deutschland behandelten nur 30 Prozent der Notaufnahmen mehr als zwei Patienten pro Stunde, sagte von Stillfried. Er spricht sich deshalb für eine Konzentration in der Notfallversorgung aus. Gerade in Ballungsräumen könne man sich auf wenige gut ausgestattete Standorte beschränken. Idealerweise gebe es an diesen Standorten dann zugleich Bereitschaftspraxen der Kassenärzte, die die leichten Fälle übernehmen können. Die Notaufnahmen wären dann in der Lage, schwere Notfälle optimal zu versorgen.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) reagierte prompt und mit ätzender Kritik. „Würde der ambulante Bereitschaftsdienst durch die niedergelassenen Ärzte funktionieren, müssten nicht zehn Millionen Patienten die Kliniken zu ambulanten Notfallbehandlungen aufsuchen“, erklärte DKG-Geschäftsführer Georg Baum. Jeder dritte Patient sei nur leicht erkrankt und könne problemlos in Bereitschaftspraxen der Kassenärzte behandelt werden – auch wenn diese technisch und personell längst nicht so gut ausgestattet seien wie die Kliniken.

Der Schlagabtausch zeigt, wie verhärtet die Fronten zwischen Kassenärzten und Kliniken sind. Der Grund: Immer mehr Patienten, die eigentlich in die Arztpraxis gehören, strömen auch tagsüber in die Kliniknotaufnahmen. Bequemlichkeit ist ein wichtiges Motiv. Viele Patienten haben die Erwartung, sich so das Warten auf einen Facharzttermin ersparen zu können.

Politik setzt auf Einigung zwischen Kliniken und Kassenärzten

Die Kassenärzte argwöhnen, dass die Kliniken dies dazu nutzen, Notaufnahmen massiv aufzurüsten. Das würde nicht nur zu Lasten der Praxen der niedergelassenen Ärzte gehen, sondern auch auf Kosten der Notfall- oder Bereitschaftspraxen in der Regie der Kassenärzte. In Baden-Württemberg etwa haben die Kassenärzte in den vergangenen Jahren mit hohem Aufwand ein Netz von mehr als 100 solcher Notfallpraxen an Kliniken eingerichtet. Es sei unverantwortlich, nun zusätzliche Kapazitäten in Notaufnahmen aufzubauen, argumentieren die Kassenärzte.

Die Politik drängt auf eine grundsätzliche Neuregelung der medizinischen Notfallversorgung. Sie setzt aber einstweilen darauf, dass Ärzte und Kliniken sich verständigen und zu gemeinsamen Lösungen kommen. Danach sieht es derzeit allerdings eher nicht aus.