Die Krankenhäuser im Land ächzen unter geringen finanziellen Spielräumen. Das wird die Herausforderung bleiben, stellt die Unternehmensberatung Roland Berger fest. Es werde weiter Zusammenlegungen und Schließungen von Kliniken geben.

Stuttgart - Die wirtschaftliche Situation der baden-württembergischen Krankenhäuser „bleibt bedrohlich“. Das stellt die Unternehmensberatung Roland Berger in einer Untersuchung fest, die sich der stationären Gesundheitsversorgung im Land angenommen hat. Für 2016 gehen demnach nur neun Prozent der Häuser davon aus, dass sich ihre ökonomische Lage verbessert. 60 Prozent rechnen mit einer weiteren Verschlechterung der Situation. Die Häuser stünden ungebrochen unter hohem Druck, ihre Organisationsabläufe zu optimieren.

 

Doch seien die Rahmenbedingungen dafür nicht schlecht, sagt Peter Magunia, der Autor der Studie: „Die Krankenhäuser haben die Chance, sich jetzt neu aufzustellen.“ Sie hätten immer mehr Patienten. „Der Markt entwickelt sich positiv.“ Der medizinische Fortschritt erlaube mehr Behandlungen, und die Einrichtungen seien ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. „Jeder Verbund lässt sich in schwarze Zahlen führen“, ist Magunia überzeugt. Allerdings gehe das nicht ohne Anpassungen. „Eventuell müssen kleinere Standorte auch umgewandelt oder aufgegeben werden.“ Zudem müssten die Häuser ihre Leistungsangebote untereinander besser abstimmen, sagt der Medizinwirtschaftler. An dem Punkt „gibt es schon unterschiedliche Diskussionsstände“ bei den Trägern.

Kein Spielraum nach oben

Andere Möglichkeiten sieht Roland Berger nicht. Insbesondere könnten die Kliniken die Preise für die von ihnen erbrachten Leistungen nicht nach oben drücken. Im Gegenteil: Der in der Vergangenheit im Land noch überdurchschnittlich hohe Landesbasisfallwert „ist durch den geringen Anstieg in den letzten zwei Jahren mittlerweile der zweitniedrigste Wert in Deutschland“. Der Landesbasisfallwert ist die landesweit geltende Durchschnittsvergütung für eine Krankenhausleistung. Der Bund will, dass die verschiedenen Landeswerte an einen Bundesdurchschnitt angeglichen werden. Dieser Prozess findet im Südwesten jetzt statt. „Die Krankenhäuser tun sich schwer mit der Geschwindigkeit der Anpassung“, sagt Peter Magunia. „Niedersachsen hat das schon durchgemacht; Rheinland-Pfalz wird das noch erleben.“

Den Häusern in Baden-Württemberg kommt entgegen, dass das Land bisher unter Grün-Rot seine Zuschüsse zu den Investitionskosten deutlich erhöht hat. Es schießt den Zahlen von Roland Berger zufolge pro Patient 182 Euro Fördermittel zu. Im Bundesdurchschnitt sind das nur 147 Euro, in Rheinland-Pfalz 131 Euro, in Bayern 167, nur in Hessen ebenfalls 182 Euro.

Dennoch müssen die Krankenhausträger einen großen Teil ihrer Investitionen aus eigenen Mitteln finanzieren. Das gelingt freilich nicht. „Zur nachhaltigen Sicherstellung der eigenen Investitionsfähigkeit ist im Krankenhausbereich eine Umsatzrendite von mindestens 2,5 Prozent anzuvisieren“, stellt Roland Berger fest. Doch: „Keine der Kliniken erreichte diese Zielmarge, die höchste lag bei 1,7 Prozent.“ 2014 habe die durchschnittliche Umsatzrendite minus 1,6 Prozent betragen. Das gilt zumindest für die 30 größten Kliniken und Klinikverbünde im Land, die für 60 Prozent der im Land aufgestellten Betten verantwortlich sind.

Ausgleich über den Kreishaushalt

Das bedeutet, dass die Verbindlichkeiten der Kliniken zunehmen. 2014 hätten sie allein bei jenen 30 größten rund drei Milliarden Euro betragen, 150 Millionen mehr als 2013. „Wenn das Zinsniveau wieder steigt, haben viele ein Problem“, sagt Magunia. Da könnte eine Zeitbombe ticken.

Dazu kommt, dass Klinikträger immer wieder Haushaltsdefizite ihrer Einrichtungen ausgleichen müssen. Die öffentlichen Krankenhäuser tun sich da leichter – noch. Von den größten Krankenhausverbünden schreiben zwei Drittel rote Zahlen. 85 Prozent dieser defizitären Verbünde sind in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft. Der Rückgriff auf den Kreishaushalt ist ein gut eingeübter Mechanismus zum Haushaltsausgleich. „Freigemeinnützige Träger haben schon früher danach geschaut, dass eine gewisse Wirtschaftlichkeit gegeben ist“, sagt Magunia. „Ihre Reserven sind viel geringer.“ Sie können im Bedarfsfall nicht auf eine Erhöhung der Kreisumlage hoffen. Das können die kommunalen Häuser womöglich bald auch nicht mehr, wenn die Kreishaushalte etwa durch die Flüchtlingsthematik zusätzlich belastet werden.

Wirtschaftlichkeit muss steigen

Da bleiben nur Kostensenkungen, anders ausgedrückt: die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit. Was das für die Beschäftigten heißen wird, muss sich zeigen. Durch den Personalaufbau ist freilich die Personalproduktivität gesunken. So arbeiteten 2014 neun Prozent mehr Vollkräfte im ärztlichen Dienst als 2010. Pro Jahr entspricht das einem Aufwuchs von zwei Prozent. Die Zahl der stationär aufgenommenen Patienten stieg im gleichen Zeitraum aber nur um ein Prozent an. Bei den Pflegekräften sieht es anders aus, dort betrug der Zuwachs in diesem Zeitraum im Schnitt 0,4 Prozent pro Jahr, er lag also unter dem Zuwachs der Fallzahlen. Nach dem jahrelangen Stellenabbau war 2014 die Zahl der Vollkräfte im nichtmedizinischen Dienst erst wieder auf dem Niveau von 2010.

Inzwischen liegt die Personalproduktivität im ärztlichen Dienst in Baden-Württemberg deutlich unter der von Bayern, Hessen oder Rheinland-Pfalz. Im Pflegedienst bewegt sie sich etwa auf dem Level der anderen Länder. Die „Anpassung des medizinischen Leistungsangebots unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung der Bevölkerung und des medizintechnischen Fortschritts“ ist neben der Optimierung der Organisation auch unter Kostengesichtspunkten die Aufgabe, die die Kliniken haben.

Auch künftig werden sich Krankenhäuser zu Verbünden zusammentun. Verbünde werden sich ausdehnen. Aber auch andere Formen von Kooperation werden umgesetzt, erwartet Peter Magunia.