Ungeachtet der aktuell zu erwartenden Kostensteigerung für Stuttgart 21 stellt eine Studie ein sinkendes Interesse am Großprojekt fest. Selbst in Stuttgart winkten etwa 20 Prozent der Befragten bei dem Thema ab.

Stuttgart - Soll es wegen möglicher Kostensteigerungen eine neue Volksabstimmung zu Stuttgart 21 geben? Gisela Erler, die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, rät ab. „Eine Volksabstimmung sollte kein inflationäres Instrument werden“, sagte die Grünen-Politikerin am Montag bei der Präsentation einer Studie zu Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie in Baden-Württemberg. Die Abstimmung vom November 2011 sei durch die sich abzeichnenden Mehrkosten nicht überholt. Den Bürgern sei schon vor mehr als einem Jahr bekannt gewesen, dass die Projektgegner mit Kostensteigerungen von bis zu sechs Milliarden Euro rechneten. „Das war in der Grundargumentation angelegt und stand zur Debatte“, erklärte Erler.

 

Die Volksabstimmung habe „viel gebracht“, insbesondere habe sie die Gemüter beruhigt. Jetzt jedoch erwartet die Staatsrätin, „dass die Emotionen wieder hochgehen“, wenn die Bahn morgen im Aufsichtsrat wie erwartet neue Zahlen auf den Tisch legt. Derzeit gelte die Geschäftsgrundlage, laut der das Land nicht aussteigt. „Man wird sehen, was passiert, wenn sich die Grundlagen dramatisch verschieben“, meinte Erler mit Blick auf die Aufsichtsratssitzung. Sie geht davon aus, dass es neue Gespräche geben wird.

In Stuttgart winken etwa 20 Prozent bei Stuttgart 21 ab

Ungeachtet der aktuell zu erwartenden Kostensteigerung für das Bahnprojekt stellt das Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung ein sinkendes Interesse an S 21 fest. „Das Thema hat in der Zeit von Januar bis August erheblich an Bedeutung eingebüßt“, konstatierte Thorsten Faas, der die Langzeitstudie im Auftrag des Staatsministeriums leitete. Er stützt sich auf eine Telefonbefragung vom August unter 1700 Baden-Württembergern.

Selbst in Stuttgart winkten knapp über 20 Prozent bei dem Thema ab. Stark interessierten sich in der Landeshauptstadt im August noch 48 Prozent für S 21, im Dezember 2011 waren es noch 71 Prozent gewesen. Landesweit sank der Anteil der sehr Interessierten von 50 Prozent im Dezember 2011 auf 22 Prozent im August. Nur 17 Prozent waren mit dem Projektverlauf zufrieden, dennoch wurde das Projekt auch im August noch mehrheitlich unterstützt. Die Zahl derer, die sich als Befürworter bezeichnen, stieg sogar leicht von Mitte 50 auf annähernd 60 Prozent. In einer von der Bahn im November initiierten Befragung hatten sich 66 Prozent der Befragten für den Weiterbau ausgesprochen.

Die Gegner des Bahnprojekts forderten unterdessen erneut ein schnelles Ende des Baus. Die Ausstiegskosten würden bei 300 bis 400 Millionen Euro liegen, sagte der Sprecher des Aktionsbündnisses, Eisenhart von Loeper, am Montag in Berlin. „Stuttgart 21 rechnet sich nicht.“ Er widersprach damit dem SPD-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, Claus Schmiedel, der ein Ende wegen möglicher Kosten von bis zu drei Milliarden Euro für undenkbar hält.