Alle Parteien setzen auf das Internet – die Beiträge der Nutzer haben aber eher symbolischen Wert

Stuttgart - Am Montag führt die Piratenpartei die Version 2.0 der Software Liquid Feedback ein und verlagert damit ihre internen Diskussionen weiter ins Internet. Auf der Plattform können Parteimitglieder Anträge und Ideen notieren, die dann diskutiert werden. Dadurch soll die Meinungsbildung direkter werden. „Auch wenn nicht alle mitmachen, kann man daraus die ungefähre Stimmung ablesen“, sagt Anita Möllering, die Parteisprecherin. Damit sind die Piraten Vorreiter eines Trends, der die ganze Gesellschaft erfasst hat. Wenn immer mehr Lebensbereiche ins Internet verlagert werden, warum nicht auch politische Partizipation? Da es online viel einfacher ist, sich in eine Diskussion einzuklinken, als in der realen Welt, wäre die Vermutung naheliegend, dass dadurch das politische Interesse zunimmt. Eine Studie der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass das Internet nur wenige Menschen zu politischer Beteiligung motiviert, die sonst nicht politisch aktiv sind.

 

Demzufolge scheint das Internet eher bereits vorhandene Aktivitäten zu ergänzen. „Junge Menschen, die online politisch aktiv sind, sind es in den meisten Fällen auch offline – und umgekehrt“, sagt Claudia Ritzi, die die Untersuchung gemeinsam mit Gary Schaal und Vanessa Kaufmann gemacht hat. Politikverdrossenheit und nachlassende aktive Teilnahme würden nicht durch Online-Aktivitäten kompensiert. Das sieht man bei der Piratenpartei nicht so. „Wir machen andere Erfahrungen“, sagt Anita Möllering. „Die niedrigere Schwelle, sich zu vernetzen und zu organisieren, kann politisches Engagement intensivieren und beschleunigen. Unser Grundimpuls ist mit dem Netz verbunden.“

Symbolische und reale Partizipation

Darin sieht Claudia Ritzi jedoch keinen Widerspruch zu ihren Ergebnissen. Zwar sei die untersuchte Zielgruppe von Usern zwischen 21 und 35 Jahren im Internet politisch sehr aktiv, jedoch ohne dabei mehrheitlich anzunehmen, dass sie mit ihren Äußerungen etwas bewirken. Dagegen seien politische Aktivitäten außerhalb des Internets vor allem durch den Wunsch begründet, Einfluss zu nehmen. Die meisten politischen Äußerungen in Internetforen beschreibt die Politologin daher als „symbolische Partizipation“.

Zudem seien die Piraten eine Ausnahme in der deutschen Parteienlandschaft. „Sie profitieren davon, dass es den etablierten Parteien lange nicht gelungen ist, den Bürgern zu vermitteln, dass sie auch über das Internet erreichbar sind. Gerade die Kompetenz von CDU und FDP wird in dieser Hinsicht als desaströs eingeschätzt.“ Je stärker die neuen Medien jedoch von den Parteien eingesetzt würden, desto geringer könne im Lauf der Zeit die Differenz zwischen symbolischer und realer Partizipation werden.