Einwanderer zahlen mehr Steuern und Sozialabgaben als sie unterm Strich an öffentlichen Leistungen kassieren. Das belegt eine Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. Auch langfristig lohnt sich die Einwanderung für den Sozialstaat.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Deutschland ist neuerdings eines der begehrtesten Einwanderungsziele der Welt. Hierher kommen mehr Flüchtlinge als in alle anderen europäischen Ländern. Das ist eine teure Angelegenheit. Für Zuwendungen nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz gibt die öffentliche Hand jährlich anderthalb Milliarden Euro aus. Im Moment wird über ein Sonderprogramm in Milliardenhöhe diskutiert, um weitere Unterkünfte für Flüchtlinge zu schaffen. In weitaus größerem Maße profitiert der deutsche Staat aber von Ausländern, die hier leben. Dies hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung errechnet.

 

Nach der am Donnerstag veröffentlichten Studie hat die Bundesrepublik an den 6,6 Millionen bei uns ansässigen Ausländern 2012 insgesamt 22 Milliarden Euro verdient. So hoch ist der Überschuss aller bezahlten Steuern und Sozialabgaben nach Abzug der in Anspruch genommenen öffentlichen Leistungen. Pro Kopf ergibt das einen Betrag von 3300 Euro. Ungeachtet dessen sind zwei Drittel der Bundesbürger nach einer Bertelsmann-Umfrage nach wie vor überzeugt davon, dass die Zuwanderung die Sozialsysteme belaste.

150 Milliarden Euro zusätzlich dank Zuwanderung

Die Studie rechnet nach eigener Wertung „eher konservativ“. Die Profitabilität des Einwanderungslandes Deutschland ist demnach sogar gestiegen. 2004 habe sich der Nettobeitrag jedes Ausländers noch auf 2000 Euro belaufen. Inzwischen habe er sich um mehr als 50 Prozent erhöht. Auch langfristig lohne sich die Einwanderung für den deutschen Sozialstaat. Die aktuell in Deutschland wohnenden Ausländer würden im Laufe ihres Lebens hochgerechnet 22 300 Euro mehr an den Fiskus und die Sozialversicherungen überweisen als sie ausbezahlt bekämen. Unterm Strich bedeute das einen Überschuss in einer Größenordnung von fast 150 Milliarden Euro.

Noch größer wäre der „Gewinn“, den die Ausländer für Deutschland bedeuten, wenn ihren Kindern ein Bildungsaufstieg ermöglicht würde – wenn sie dadurch in die Lage versetzt würden, ein überdurchschnittliches Einkommen zu erzielen. Anders gerechnet entgingen dem Fiskus im Falle eines heute 30-jährigen Ausländers, der unterhalb des durchschnittlichen Steuerniveaus bleibt, bis an dessen Lebensende Nettoeinnahmen von 118 000 Euro. Der Staat könnte kostenneutral 26 Milliarden Euro in die Fort- und Weiterbildung von Ausländern investieren, weil die Gegenfinanzierung durch höhere Steuer- und Beitragszahlungen gedeckt wäre. „Gute Bildungspolitik ist die beste Integrationspolitik“, lautet das Fazit.

Kanadisches Punktesystem als Vorbild?

Die Wirtschaftsforscher blicken auch in die Zukunft. Sie raten zu einer stärker an der Qualifikation orientierten Einwanderungspolitik: „Qualifizierte Zuwanderung kann dazu beitragen, die öffentlichen Haushalte nachhaltig zu finanzieren“, heißt es in der Studie. „Je besser qualifiziert die Zuwanderer, desto höher ihr Beitrag zu den öffentlichen Kassen“, sagt Holger Bonin vom ZEW, einer der Autoren. Er und seine Kollegen haben einen Musterfall hochgerechnet: Wenn künftig mindestens 200 000 Zuwanderer jährlich nach Deutschland kämen und 30 Prozent von ihnen hoch und weitere 50 Prozent durchschnittlich qualifiziert wären, dann würde deren Beitrag jeden Bundesbürger um 400 Euro pro Jahr fiskalisch entlasten.

„Deutschland braucht mehr Zuwanderung“, fordert der baden-württembergische Europaabgeordnete Michael Theurer (FDP). Er wirbt für ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild. „Einwanderung muss einfacher werden“, sagt auch der Grüne Volker Beck. Die Bundesregierung müsse die Anerkennung von Bildungsabschlüssen vorantreiben, die Angebote an Deutschkursen erweitern und für eine Aufhebung sinnloser Beschränkungen beim Arbeitsmarktzugang sorgen. Die Linken werfen der Koalition vor, sie tue nichts, um das Integrationsklima zu verbessern. Stattdessen werde „in rechtspopulistischer Manier gegen eine vorgebliche Armutszuwanderung polemisiert“.