Ist die Neugründung von Stadtwerken, wie in Stuttgart, sinnvoll oder birgt sie Risiken? Kurt Berlo vom renommierten Wuppertal-Institut stellt am Freitag in Stuttgart die Ergebnisse seiner Studie vor und spricht über die kommunale Energiewende.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Das Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie verfolgt das Ziel, Wege einer nachhaltigen Entwicklung aufzuzeigen und besitzt international einen guten Ruf – Kurt Berlo, der Projektleiter der Forschungsgruppe Energiepolitik am Institut, kommt nun am Freitag, 18. Oktober, nach Stuttgart. Im Bürgerzentrum West in der Bebelstraße 22 spricht er um 19.30 Uhr auf Einladung des BUND Stuttgart und des Klima- und Umweltbündnis zum Thema „Stadtwerke und Bürger als Alternative zu Energieriesen“.

 

Berlo hat dabei brandneue Erkenntnisse im Gepäck. Erst vor kurzem haben er und sein Kollege Oliver Wagner eine Studie veröffentlicht, in der sie untersuchten, welche Chancen und Risiken Kommunen eingehen, wenn sie, wie Stuttgart, Stadtwerke gründen. Als Basis wurden jene 72 Stadtwerke unter die Lupe genommen, die in Deutschland seit 2005 entstanden sind.

Das Ergebnis der Sondierungsstudie ist beinahe uneingeschränkt positiv. Zehn Ziele hat das Wuppertal-Institut definiert, die die Städte mit ihrer Energietochter erreichen wollen. Dazu gehören: Gestaltung der Energiewende vor Ort, Verbesserung der lokalen Wertschöpfung, Demokratisierung der Energieversorgung, Realisierung von Bürgernähe oder Verbesserung der Einnahmesituation der Kommune. Bei allen zehn Punkten hält es das Institut für „sehr wahrscheinlich“ oder für „wahrscheinlich“, dass das Ziel erreicht werden kann. Neugründungen von Stadtwerken seien deshalb als „sehr sinnvoll“ zu beurteilen, so das Fazit der Studie.

Laut Studie bergen Stadtwerke geringe Risiken für Kommunen

Die Risiken halten die Verfasser der Studie für gering oder zumindest für beherrschbar, sofern die Akzeptanz bei den Bürgern gegeben sei und solange keine konventionellen Kraftwerke mit übernommen werden. Lediglich beim Rückkauf der Energienetze sieht das Institut größere Schwierigkeiten; das liege aber nicht an der Sache selbst, sondern häufig am Verhalten der großen Energiekonzerne, die immer wieder versuchten, den Stadtwerken Steine in den Weg zu legen, indem sie zum Beispiel wichtige Daten nicht herausgeben würden oder die Übergabe verzögerten.

Interessant ist daneben, dass die Region Stuttgart in den Jahren seit 2005 bundesweit die aktivste Gegend für Neugründungen war – es gab in dieser Zeit elf neue Stadtwerke. In Baden-Württemberg liegt ein stolzes Drittel aller neuen Gründungen; nur im Ruhrgebiet und im Großraum München lassen sich ähnlich starke Bewegungen feststellen. Die Ursache für die starke Konzentration sieht das Wuppertal-Institut vor allem in der Vorbildfunktion erfolgreicher Unternehmen, wie in Baden-Württemberg die Elektrizitätswerke Schönau oder die Stadtwerke Schwäbisch Hall. Politische Konstellationen in den Gemeinderäten spielten dagegen kaum eine Rolle.

Die Ansichten des Wuppertal-Instituts teilen allerdings nicht alle. Es gibt durchaus Studien, die zu gegenteiligen Ergebnissen kommen. Und in Hamburg konnte man beobachten, wie SPD, CDU und FDP gegen die Forderung der Bürgerinitiative „Unser Hamburg – unser Netz“ kämpften, die für einen Rückkauf der Netze eintrat. Das unternehmerische Risiko sei zu hoch, der Nutzen für die Bürger zu gering, so auch der SPD-regierte Senat. Beim Volksentscheid am 23. September stimmte eine knappe Mehrheit von 50,9 Prozent der Wähler für die Übernahme, die der Senat nun organisieren muss.