Positive Effekte der Betreuung in Kitas und Krippen können Forscher bisher nicht nachweisen. Jungen scheinen empfindlicher zu reagieren.  

Bremen - Wo bleiben die Vorteile der Krippen - außer dem, dass Eltern ungestört arbeiten gehen können? Eine Langzeitstudie aus Norwegen wartete kürzlich mit einigen Beispielen auf: Unter den ehemaligen Kita-Kindern gab es weniger Arbeitslose, und die Wahrscheinlichkeit, einen Durchschnittsverdienst zu erzielen, erhöhte sich um fünf Prozent gegenüber den Kindern, die zu Hause betreut wurden. In der Studie ging es zwar nicht um Krippen, sondern um Kindergärten für Drei- bis Sechsjährige, aber die Ergebnisse könnten dennoch auf den ersten Blick optimistisch stimmen.

 

Doch das ist nicht das vollständige Bild. Die Chance der Kinder, später einmal gut oder sehr gut zu verdienen, sank bei der Kita-Kohorte um zwei bis drei Prozentpunkte. "Kinderbetreuung hat offenbar einen ausgleichenden Effekt", schreiben die Autoren. Für Kinder aus Elternhäusern "mit besseren personellen und finanziellen Möglichkeiten" sei der Besuch eines staatlichen Kindergartens "eher nachteilig oder sogar schädlich".

Kinderbetreuung hat geschlechtsspezifische Effekte

Auch das Alter der Kinder ist relevant. Positive sprachliche und geistige Effekte der Fremdbetreuung sind bisher nur bei Kindern über drei Jahren und bei Einrichtungen hoher Qualität nachgewiesen worden. Aber auch bei diesen Kindern kommt es häufiger zu sozial abweichendem Verhalten wie Streiten, Kämpfen, Lügen, Prahlen, Schikanieren. Das hat die bisher größte Untersuchung in diesem Feld ergeben, die von der US-Behörde für die Kindesentwicklung (kurz NICHD) 1991 begonnen wurde und die immer noch ausgewertet wird. Im Alter von 15 Jahren haben die ehemaligen Kitakinder häufiger mit Alkohol, Drogen und Zigaretten zu tun und werden häufiger mit Diebstahl und Vandalismus auffällig.

Bei der Krippenbetreuung für die Kleinsten scheint es den Wissenschaftlern nur noch um Schadensbegrenzung zu gehen, von einem Nutzen ist keine Rede mehr. "Für die meisten Kinder ergeben unsere Daten keinen Beweis, dass Fremdbetreuung schon ab einem Jahr schädlich ist", fasst Psychologin Synnve Schjolberg in einer soeben veröffentlichten Studie für das norwegische Bildungsministerium zusammen. Bei 13.000 fünfjährigen Kindern hatte sie mit ihrem Team die sprachliche Entwicklung und das Sozialverhalten überprüft. Bei Jungen, die bis zu ihrem 18. Lebensmonat zu Hause betreut worden waren, fanden die Forscher allerdings seltener negative Auffälligkeiten als bei deren Geschlechtsgenossen, die schon mit zwölf Monaten in die Krippe gekommen waren. Bei Mädchen zeigten sich die Unterschiede nicht.

Dass Kinderbetreuung geschlechtsspezifische Effekte hat, legt auch eine Studie von Anne McMunn vom University College London nahe. Die Autorin fragte, inwiefern sich die Berufstätigkeit der Mutter auf das Kind auswirke. Ihr Ergebnis: vor allem Mädchen schienen davon zu profitieren, wenn ihre Mütter früh wieder berufstätig waren. Die Mädchen nicht berufstätiger Mütter zeigten als Fünfjährige etwas häufiger Verhaltensprobleme. Bei Jungs zeigten sich diese Unterschiede nicht, sie schnitten nur dann schlechter ab, wenn die Mutter alleinige Brotverdienerin der Familie oder alleinerziehend war.

Rosarote Brille der Mütter könnte Ergebnis verzerren

Einschränkend betont McMunn allerdings: da die Fragebögen fast ausschließlich von Müttern beantwortet wurden, könnte es sein, dass die berufstätigen Mütter ihre Kinder weniger realistisch einschätzten als Mütter, die den ganzen Tag mit ihren Kindern zusammen waren. Die rosarote Brille könnte bei der Beurteilung der Töchter das Ergebnis verzerrt haben.

Auch die gesundheitlichen Folgen der Frühbetreuung werden untersucht. So ermittelte eine Mannheimer Studie bei jungen Erwachsenen nach frühkindlicher Stressbelastung niedrigere Werte des "guten" HDL-Cholesterins. Und Düsseldorfer Dermatologen veröffentlichten eine Studie, wonach bei früher Krippenbetreuung Neurodermitis bis zum sechsten Lebensjahr häufiger auftrat. Da die betroffenen Kinder aufgrund des Juckreizes häufiger an Schlafproblemen litten, neigten sie - das zeigte eine Dresdner Untersuchung desselben Kinderkollektivs - als Zehnjährige verstärkt zu Aufmerksamkeitsstörungen. Es deute sich an, so die Düsseldorfer Forscherin Claudia Cramer, dass der Effekt sich abschwäche, je später die Kinder in die Krippe kommen.