Trotz heftigen Gegenwinds hat Grün-Schwarz zum Wintersemester 2017/18 Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer eingeführt. Nun zeichnet sich ein leichter Rückgang der Bewerberzahlen ab. Und manch ein Student sucht nach Auswegen aus der Gebührenpflicht.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Handi Xue ist einer von etwa 50 000 ausländischen Studierenden in Baden-Württemberg – unter diesen einer von gut 6300 aus China. Der seit 2012 in Stuttgart lebende 22-Jährige verkörpert die internationale Ausrichtung der Universitäten. In Hohenheim hat er einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften gemacht. Nun will er einen Master in „International Business and Economics“ dranhängen. Dafür wird er zum Wintersemester zur Kasse gebeten. Xue gehört zu den ersten Leidtragenden des Landeshochschulgebührengesetzes, das Studenten aus Nicht-EU-Ländern zur Zahlung einer Semestergebühr von 1500 Euro verpflichtet.

 

Die Campusmaut für ausländische Studierende ohne deutsche Hochschulzugangsberechtigung hatte vor dem Inkraftsetzen im Mai diverse Protestmärsche ausgelöst. Erste Klagen vor Gericht wurden erhoben. Und trotz der noch laufenden Einschreibephase zeichnet sich schon eine Wirkung ab: In Hohenheim, wo viele junge Menschen aus Entwicklungsländern lernen, ist ein „deutlicher Rückgang der Bewerberzahlen“ erkennbar, wie ein Sprecher sagt. Belastbare Werte gebe es noch nicht – dazu wolle man sich äußern, „wenn wir klarer sehen“. Noch verhaltener reagiert die Universität Stuttgart: Im Moment sei „keine seriösen Aussage“ möglich. Der Großteil der „Drittstaatler“ komme erst gegen Ende Oktober oder später, weil die Visumserteilung in manchen Ländern bis zu sechs Monate dauere. Daher sei die Einschreibefrist für diesen Personenkreis bis Mitte November verlängert worden, und Erstsemesterveranstaltungen würden sehr spät terminiert.

In Tübingen geht die Bewerberzahl zurück

Etwas offener gibt sich die Uni Tübingen: Dort ist die Bewerberzahl aus Nicht-EU-Staaten im Vergleich zum vorigen Wintersemester bisher von 4762 auf 4199 um knapp zwölf Prozent zurückgegangen. Allerdings, so wendet eine Sprecherin ein, sei dies weniger aussagekräftig als die Zahl der Immatrikulationen. Für diese könne noch die Zeit bis Vorlesungsbeginn Mitte Oktober genutzt werden.

Ein „schwieriges Thema“ heißt es praktisch an allen angefragten Stellen zur Studiengebühr, weil die Unis im Südwesten auf ihren internationalen Ruf angewiesen sind. Mit einer politischen Bewertung mag sich dennoch niemand aus dem Fenster lehnen. Das Wissenschaftsministerium hält sich unter Hinweis auf die laufenden Bewerbungsverfahren erst recht zurück. Demnach zeichnet sich allenfalls eine „kleine Delle“ bei den internationalen Studierenden ab – am ehesten treffe diese noch die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, die früheren Fachhochschulen.

Bürokratischen Mehraufwand bedeutet die Neuregelung für die Verwaltungen. Viele Anfragen seien zu klären, etliche Bescheide zu erstellen. „Eine Softwareunterstützung gibt es derzeit leider noch nicht“, sagt eine Unisprecherin. Immerhin sollen die Unis an den Einnahmen teilhaben: Jeweils 300 der 1500 Euro verbleiben bei den Hochschulen, um die Betreuung zu verbessern. Aufwachsend rechnet die Landesregierung bis zum Jahr 2022 mit Einnahmen von 39 Millionen Euro pro Jahr.

Teure Stellungnahmen vom Anwalt

Das Gesetz lässt diverse Ausnahmen von der Gebührenpflicht zu. Handi Xue hat versucht, eines dieser Schlupflöcher für sich zu nutzen. Dazu erkundigte sich der Chinese bei einem Nürtinger Anwalt nach einer möglichen Befreiung mit Hilfe einer Niederlassungserlaubnis für Hochqualifizierte. Und er verweist darauf, dass er im vorigen Jahr für Deutschland Europameister im chinesischen Schach (Xiangqi) geworden sei und 2015 bei der Weltmeisterschaft Vierter. So trage er zum kulturellen Austausch mit China bei und sollte aus der Zahlungspflicht befreit werden. Der Anwalt sandte ihm zwei Stellungnahmen mit dem Tenor, dass keine Aussicht auf Gebührenerlass bestehe – später eine Rechnung über 492,54 Euro, was Handi Xue wegen der wenig hilfreichen Schreiben als überhöht ansieht. Der Jurist Hellmuth Mohr sagte dazu dieser Zeitung, es gehöre zum „Risiko des Lebens“, ob eine Rechtsauskunft erfolgversprechend weiterführe oder nicht.

Unter chinesischen Kommilitonen hat Xue beobachtet: „Entweder sie zahlen die Studiengebühren oder gehen in ein anderes Bundesland.“ Die Auswahl wird aber geringer, denn auch das bei chinesischen Studenten beliebte Nordrhein-Westfalen hat mit dem Beschluss der schwarz-gelben Regierung Gebühren für ausländische Studenten eingeführt – nach baden-württembergischen Vorbild, wie betont wird.