Die künftige rot-grüne Landesregierung will die Studiengebühren abschaffen. Andere Länder haben dafür Schulden gemacht.

Stuttgart - Bildungsforscher raten dazu, den Anteil der privaten Finanzierung im Hochschulbereich zu erhöhen. Die künftige grün-rote Koalition geht den gegenteiligen Weg und hat die Abschaffung der Studiengebühren zu einer ihrer Kernbotschaften gemacht. Die Grünen setzen sich für ein gebührenfreies Erststudium bis zum Masterabschluss ein. Die SPD verspricht, "wir werden die Studiengebühren und Verwaltungskostenbeiträge ab dem Wintersemester 2011/12 abschaffen". Beide künftigen Regierungspartner stellen den Hochschulen, die sich heftig gegen die Abschaffung aussprechen, Ersatz aus dem Landeshaushalt in Aussicht. "Den finanziellen Ausfall an den Hochschulen werden wir aus dem Landeshaushalt gegenfinanzieren. Wir stellen sicher, dass es zu keiner Einschränkung der Lehre kommt", erklärt die SPD. Die Grünen halten fest: "Damit der Wegfall der Mittel aus Studiengebühren nicht zu weiteren Verschlechterungen im Lehrangebot führt, müssen die Hochschulen aus Landesmitteln verlässlich finanziellen Ersatz erhalten."

 

Die Frage ist nur, wie. Die Grünen bekennen sich zu Schuldenabbau und Schuldenbremse. "Wir werden die Verschuldung öffentlicher Haushalte senken", kündigt die SPD an. In Baden-Württemberg haben die Hochschulen im vergangenen Jahr 135 Millionen Euro an Studiengebühren eingenommen, die durch Umschichtungen im Haushalt flüssig gemacht werden müssten.

Land soll den Wegfall der Studiengebühren auffangen

Erfahrungen mit der Abschaffung von Studiengebühren haben Hessen und Nordrhein-Westfalen. Beide Länder haben die zusätzlichen Ausgaben durch Schulden finanziert. In Nordrhein-Westfalen kommen Mehrausgaben von jährlich 249 Millionen Euro auf den Finanzminister zu, in Hessen sind es 92 Millionen. In Hessen ist der Betrag gedeckelt. Der Posten steht seither als "Mittel zur Qualitätssicherung in Studium und Lehre" im Haushalt. Das Geld wird an die Hochschulen nach ihrer Größe verteilt, erklärte ein Sprecher der hessischen Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) auf Anfrage. Wegen der Deckelung stehen die Hochschulen aber schlechter da, wenn die Studentenzahlen steigen. In Nordrhein-Westfalen fallen die Gebühren zum kommenden Wintersemester weg. Dort beträgt der Kompensationsbetrag mindestens 249 Millionen Euro, sagte ein Sprecher von Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD). Über mögliche Erhöhungen müsse jedes Jahr der Landtag neu entscheiden.

Auf Deckelungen wollen sich die Hochschulen im Südwesten nicht einlassen. Das Land müsse schon den echten Ausfall ersetzen, heißt es etwa von der Uni Freiburg, und der liege bei 1000 Euro pro Student. Der Freiburger Prorektor Heiner Schanz lässt keinen Zweifel daran: "Wir können auf die Kompensation nicht verzichten, sonst verschlechtern sich die Studienbedingungen." Für ihn ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die künftige Regierung dieselben Bedingungen herstellt, wie sie mit Studiengebühren gelten. "Es ist eindeutig, dass die Kompensation kein Pauschalbetrag sein kann", sagt Schanz. Er wünscht sich: "Auch hier könnte Baden-Württemberg ein Modellprojekt zur Kompensation sein." Er betont aber auch, "es gibt keinen Grund an der verantwortungsvollen Politik der künftigen Regierung zu zweifeln".

Hochschulrektoren sind gegen die Abschaffung

Wie berichtet, wehren sich die Rektorenkonferenzen der Universitäten und der Hochschulen im Land gegen die Abschaffung der Gebühren. Sie verlangen auch, die Geschwisterregelung aufzugeben. Danach sind in Familien mit drei und mehr Kindern für höchstens zwei Beiträge fällig. Das hat die Einnahmen der Hochschulen um 50 Millionen Euro geschmälert.

In Freiburg machen die Studiengebühren rund zehn Millionen Euro aus, Tübingen rechnet mit elf, Stuttgart mit neun Millionen. Der Tübinger Rektor Bernd Engler verweist darauf, dass ganze Typen von Lehrveranstaltungen, wie zum Beispiel Seminare zur Vermittlung von Schlüsselqualifikationen wie Rhetorik oder Präsentationstechnik über Studiengebühren finanziert werden.