Numerus clausus, Eignungstests und ein chaotisches Nachrückverfahren – die Hürden vor Beginn des Studiums meistert man am besten, wenn man flexibel ist und genau weiß, was man will. Der StZ-Hochschulatlas zeigt, wie man an den gewünschten Studienplatz kommt.

Stuttgart - Es läuft nicht immer so glatt wie bei Jan-Philipp Thoma, aber sein Beispiel ist vielleicht exemplarisch für das System: Er bewarb sich 2011 für die Kombination Soziologie und Sinologie an der Uni Tübingen. 800 Bewerber hatten sich auch dafür interessiert, aber es gab nur 150 Plätze: Thoma musste eine Eignungsprüfung durchlaufen, was er angesichts der vielen Tests am Gymnasium locker nahm. Aber siehe und staune: Fast jeder, der zur Prüfung erschien, erhielt eine Studienzulassung. Die restlichen 650 waren Doppelbewerber, die woanders Unterschlupf fanden und Tübingen die kalte Schulter zeigten. Auch Thoma hatte sich noch an fünf anderen Unis beworben – sicher ist sicher.

 

Bei der Studienplatzvergabe spielt ein Quantum von Unberechenbarkeit mit. Bundesweit fast 400 Hochschulen bieten 7700 Bachelor-Studiengänge, ebenso viele Master-Studiengänge und 1700 staatliche oder kirchliche Abschlüsse an. Oft bestehen die Unterschiede in Nuancen, oder es sind andere Namen für das gleiche Fach. Die Fülle ist unübersehbar – ebenso sind es die Zulassungsbedingungen.

Die Nachfolgebehörde der Zentralen Vergabestelle für Studienplätze, Hochschulstart.de, hat zwar ein Online-Verfahren eingeführt: das Dialogorientierte Serviceverfahren (DoSV), das bei örtlichen Zulassungsbeschränkungen die Bewerbungen prüft, zeitnah Absagen aussortiert und Zusagen für einen Studienplatz erteilt. Aber das Programm hat einen Pferdefuß: Es machen wegen Softwareproblemen mit der Schnittstelle DoSV zu den Hochschulen nicht alle mit. Zum Wintersemester 2015/16 werden nur etwas mehr als die Hälfte der 180 Hochschulen mit örtlichem NC-Studiengängen am DoSV teilnehmen – ein Armutszeugnis. Solange nicht alle dabei sind, wird es wieder nach Bewerbungsschluss zu Nachrückverfahren kommen und im Oktober zu Tausenden von unbesetzten Studienplätzen.

Der Pferdefuß: nicht alle Hochschulen machen mit

Im Bewerbungsdschungel hilft es, wenn man eine Idee darüber hat, welche Themen einen faszinieren. „Ungerade Lebenswege“, sagen die Experten, seien kein Nachteil. Dringend empfehlen Studienberater ein Jahr vor dem Abitur ein sogenanntes Schnupperstudium – das heißt, reinsetzen in Vorlesungen und nur zuhören: „Man muss da nicht alles verstehen, entscheidend ist, dass Herzblut fließt“, sagt Jeannette von Wolff von der Studienberatung der Universität Stuttgart.

Wer eine Leitidee mitbringt, hat schon die halbe Miete: Was macht mir Spaß, was ist mein Interesse? Muss es unbedingt das Modefach Erneuerbare Energien sein, käme vielleicht ein anderes Ingenieurstudium in Frage – Umweltschutztechnik zum Beispiel? Dringend rät von Wolff dazu, einen Plan B zu entwickeln und sich nicht vom Numerus clausus schrecken zu lassen: „Dass es einen NC gibt, bedeutet nicht, dass es keinen Studienplatz für mich gibt.“

Hochschulen fordern für einige Studiengänge Motivationsschreiben oder Eignungstests, Architekturstudenten müssen zum Teil Arbeitsproben vorlegen, Politikwissenschaftler einen Essay schreiben. Auch für Praktika oder ein freiwilliges soziales Jahr kann es Punkte geben. Der örtliche NC für ein Studienfach lässt sich erst im Nachhinein feststellen, aber wer Anhaltspunkte möchte, dem gibt Birgit Grunschel von der Zentralen Studienberatung (ZSB) der Uni Tübingen einen Rat: Man könne die Note, mit der im vergangenen Semester der letzte Bewerber einen Platz erhalten hat, an der Hochschule googeln oder per Mail in der ZSB erfragen.

Für Medizin sollte es ein Abi mit 1,0 sein

Auch der Blick auf etwas im Schatten liegende Studiengänge lohnt sich: Schon mal was von Geschichte der Naturwissenschaft und Technik gehört? Oder von Kognitionswissenschaften, die sich darum drehen, wie Menschen lernen – ein Mix von Psychologie, Informatik und Sprachwissenschaften? Wie viele Bewerbungen verschickt werden sollten, ist eine Glaubensfrage: beim DoSV gilt die Höchstzahl von zwölf.

Relativ starr ist die zentrale Studienplatzvergabe von Medizin, Pharmazie, Tier- und Zahnmedizin, und hier kommt man an Hochschulstart.de nicht vorbei: Es gilt ein bundesweiter NC, der Zugang ist knifflig. Es gibt ein Auswahlverfahren der Hochschulen. Eine 1,0 im Abi wird für Medizin in Baden-Württemberg verlangt, es sei denn, man wartet einige Jahre oder bringt andere Qualifikationen mit.

Falsch ist die Annahme, dass der Zugang zu Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) leichter ist. Es gebe keine HAW in Baden-Württemberg ohne Zulassungsbeschränkung, sagt der Rektorensprecher Bastian Kaiser. Dafür punkten die Fachhochschulen mit stärkerer Praxisnähe und „anwendungsbezogener Lehre“. Viele HAWs haben einen fast familiären Charakter und sind eng verbunden mit heimischen Betrieben. Kaiser gibt ein Beispiel: So rekrutiere die Firma Liebherr gerne Absolventen der HAWs in Biberach und Ulm.