Mit dem Protest, wie ihn ein Teil der Parkschützer betreibt, sind längst nicht mehr alle S-21-Gegner einverstanden. Das Aktionsbündnis will dies nun öffentlich klarmachen – und sich künftig von einzelnen Aktionen distanzieren.

Stuttgart - Auch nach der 205. Montagsdemo haben sich Stadt und Stuttgart-21-Gegner noch nicht über den Kundgebungsort geeinigt. Der Großteil der Demonstranten wich von der genehmigten Strecke ab. Das ärgert nicht nur die politischen Gegner. Im Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 – einem Zusammenschluss aus BUND, dem Fahrgastverband Pro Bahn, dem Verkehrsclub Deutschland und den Stuttgarter Grünen – formiert sich ebenfalls Widerstand gegen den Aktionismus der Parkschützer-Gruppe, die zuletzt allein für die aus dem Ruder laufenden Demos verantwortlich zeichneten. In einem Papier, das der StZ vorliegt, distanziert sich das Aktionsbündnis in bisher nicht gekannter Deutlichkeit von den Aktivisten, die sich einst den Schutz des Mittleren Schlossgartens auf die Fahne geschrieben hatten und von denen einige regelmäßig gegen die Demo-Auflagen verstoßen. Zwar wolle man auch künftig ereignisbezogen Aktionen und Proteste gegen das Bahnprojekt unterstützen – „die Durchführung und Finanzierung regelmäßiger Demonstrationen wie der Montagsdemos gehört nicht dazu“, beschreibt das Bündnis sein Selbstverständnis. Auch die interne Kritik an Aktionen einzelner Gruppen soll künftig kein Tabu mehr sein. „Öffentliche Kritik und Distanzierungen sind notwendige Ultima Ratio“, heißt es weiter in dem Entwurf, der vom Aktionsbündnis noch abgesegnet werden muss.

 

Kritik prasselt von vielen Seiten auf die Parkschützer und die Demonstranten ein, die ihrem Aufruf folgen. Am Rande der Demo kam es zu Konflikten, etwa am Gebhard-Müller-Platz. Dort mussten Polizeireiter einen Demonstranten und einen wütenden Autofahrer, der ausgestiegen war und den S-21-Gegner anging, voneinander trennen, dazu ertönte das Hupkonzert weiterer Verkehrsteilnehmer. „Ich staune immer wieder, mit welcher Hartnäckigkeit manche an ihrem alten Versammlungsort festhalten“, sagt die CDU-Stadträtin Beate Bulle-Schmid. „Es gibt schließlich einen Gerichtsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim. Meiner Meinung nach wird da regelmäßig Recht gebrochen.“ Der VGH hatte entschieden, dass die Stadt den Veranstaltern zu Recht einen anderen Versammlungsort – die Lautenschlagerstraße – zugewiesen hatte.

Der Bürgermeister Werner Wölfle (Grüne), in den Hochzeiten des Protests häufig an vorderster Front dabei, ist auch unglücklich darüber, wie die Demos inzwischen laufen. „Die Leute sollten doch eigentlich kein Interesse daran haben, dass die Bewegung sich weiter selbst diskreditiert“, sagt er. Das geschehe aber, obwohl der Protest einst als „lebendige und kreative Bürgerbewegung“ begonnen habe. Er teilt die Ansicht seines Kollegen, des Ordnungsbürgermeisters Martin Schairer (CDU), dass der Marktplatz der richtige Ort für die Kundgebungen sei, wo man eine Art „Speakers’ Corner“ etablieren könnte. „Auf dem zentralen Platz in der Stadt könnte man so positive Aufmerksamkeit erreichen“, so Wölfle. Weitere ehemalige Mitstreiter, die bis zum Volksentscheid mit auf die Straße gegangen waren, denken ähnlich, wollen sich aber aus Furcht vor Anfeindungen aus der Stuttgart-21-Gegnerschaft nicht in der Zeitung zitieren lassen. Auf einschlägigen Facebook-Seiten melden sie sich dennoch zu Wort.

Die Scheinwerfer am Rathaus brennen länger, wenn Demo ist

Die Stadt will weitere Gespräche mit den Parkschützern über den Versammlungsort führen, sagt Herrmann Karpf, der Referent des Ordnungsbürgermeisters. Die Demos haben bis Ende Januar die Auflage, in der Lautenschlagerstraße zu starten und von dort zum Marktplatz zu ziehen. „Wenn sich die Gegner nicht weiter selbst ins Abseits bringen wollen, sollten sie den Marktplatz annehmen“, sagt die SPD-Fraktionschefin Roswitha Blind. „Das erreicht man eher durch Gespräche als durch Druck“, fügt sie hinzu, deswegen sei auch das Verhalten der Polizei richtig, diejenigen Demonstranten nicht zurückzudrängen, die von der Route abweichen.

Das will die Polizei auch künftig nicht tun, sagt der Sprecher Stefan Keilbach. „Erstens ist das Versammlungsrecht ein hohes Gut, und auch eine Gruppe, die sich nicht an den angewiesenen Versammlungsort hält, ist eine Versammlung. Zweitens wäre die Straße viel länger blockiert, wenn wir einschreiten und Personalien aufnehmen würden, das dauert ja.“

Ein kleines (Leucht)-Zeichen, wo die Montagsdemo willkommen ist, hat die Stadt gesetzt: Die Scheinwerfer, die das Rathaus nach Einbruch der Dunkelheit anstrahlen, haben am Montag länger geleuchtet – den S-21-Gegnern zuliebe, deren Demo am Marktplatz endete. Das, so Wölfle, sei ein Entgegenkommen. Man wolle schließlich nicht, dass die Montagsdemo gegen Stuttgart 21 im Dunkeln stehe.