Die Kostenexplosion war für die Kontrolleure absehbar. Am Landesflughafen gibt es offenbar erhebliche Probleme mit der tief liegenden Station.

Stuttgart - Die Kostenexplosion beim Großprojekt Stuttgart 21 um weitere rund 1,1 Milliarden Euro und einen Risikopuffer von 300 Millionen Euro wird den Aufsichtsrat der Deutschen Bahn am kommenden Mittwoch, 13. Dezember, beschäftigen. Aus dem Kontrollgremium ist Kritik am für S 21 zuständigen Bahn-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla zu hören.

 

Die Entscheidung über die S-21-Zusatzfinanzierung soll der Aufsichtsrat auf einer Sondersitzung im Januar 2018 fällen. Das Geld will sich der Konzern bei den Projektpartnern mit der bereits eingereichten Klage zur unbegrenzten Mitfinanzierung wieder zurückholen. Offenbar bereits im Dezember soll mit ihnen ein abgespeckter Anschluss des Landesflughafens besprochen werden. Die Vorteile – kein Tunnel unter der Messe, billiger und deutlich schneller zu erstellender Halt an der A 8 – hatte Pofalla dem Aufsichtsrat referiert.

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Durch den Verzicht auf den Flughafentunnel und die 27 Meter unter der Erde liegende Station räume man „planerische und genehmigungstechnische Schwierigkeiten aus“. Er werde sich bemühen, den Finanzierungsvertrag an dieser Stelle neu zu verhandeln. Die Schwierigkeiten sind den Projektpartnern bislang nicht bekannt. In der Pressekonferenz nach dem jüngsten Lenkungskreis zu S 21 sagte Pofalla davon nichts. Im Gegenteil. Er sagte, man wolle „den Vertrag einhalten“ und fühle sich „an bestehende Genehmigungsverfahren gebunden“.

Auch das Jahr 2026 ist eine Option

Dass 6,5 Milliarden Euro für den Bahnknoten nicht reichen würden, damit hatte das DB-Kontrollgremium gerechnet. Pofalla habe aber in diversen Sitzungen eine „ehrliche Aufarbeitung“ verzögert, obwohl der freie Puffer schon lange unter 20 Millionen Euro gelegen habe – bei einem Projektumfang von 6,526 Milliarden. Pofalla habe argumentiert, man habe noch nicht alle Einsparmöglichkeiten ausgeschöpft und wolle „Druck im Kessel“ halten – gemeint ist, die Baufirmen weiter zur Fertigstellung Ende 2021 anzuspornen. Nun soll es Ende 2024 werden. Die Bahn kalkuliert aber noch mit anderen Optionen. In Ausschreibungen findet sich das Jahr 2026.

Bereits im Juni 2016 hatte Pofallas Vorgänger Volker Kefer gegenüber dem Aufsichtsrat Mehrkosten von 623 Millionen Euro eingeräumt. Es habe zwar noch vor einem Jahr auch „Ausschreibungsgewinne“ gegeben, also günstiger als erwartete Auftragsvergaben, im Saldo aber keine Entspannung. Im Oktober riss dem Aufsichtsrat dann wohl der Geduldsfaden. Der Prüfungs- und Compliance-Ausschuss handelte, es kam zum neuen Gutachten, das erneut die Beratungsfirma PwC erstellte. Schon 2013, als Stuttgart 21 noch bei 4,5 Milliarden Euro stand, schrieb PwC in einem Gutachten für den Aufsichtsrat, dass „von den bisherigen Vergaben nur wenige im Rahmen des Kostenplanes (Budgets) vergeben werden konnten und in der Mehrzahl der Vergaben wertmäßige Überschreitungen bezogen auf die zugrunde liegenden Kostenpläne erfolgten“. Diese Entwicklung hat sich offenbar fortgesetzt.

Ausstieg angeblich teurer

In den Mehrkosten von 1,4 Milliarden Euro sollen neue Puffer für Unvorhergesehenes (200 Millionen) und Risiken (100) gebildet werden. Eher marginal fällt mit 50 Millionen der Aufschlag für gesetzliche Naturschutzauflagen aus. Die Projektgesellschaft in Stuttgart rückt die Auflagen für Käfer und Eidechsen gern in den Vordergrund. 70 Millionen sind für den Abstellbahnhof geplant, 200 für Zeitverzug, 360 für hohe Ausschreibungsergebnisse.

Über ein mögliches Haftungsrisiko müssen sich die Aufsichtsräte der Bahn offenbar keine Sorgen machen. Die Fortführung des Baus, der für die Bahn damit unwirtschaftlich werden dürfte, sei die „wirtschaftlich vorteilhaftere Variante“, da die Kosten des Projektabbruchs höher lägen, heißt es im Gutachten.