Der sogenannte Nesenbachdüker ist ein zentraler Bestandteil von Stuttgart 21. Eigentlich sollte er längst fertig sein. Am Montag hat die Bahn immerhin mit dem Bau begonnen.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Die Bahn hat am Montag begonnen, den neuen Abwasserkanal unter dem künftigen Tiefbahnhof zu bauen. Der sogenannte Nesenbachdüker soll nach Angaben der S-21-Bauherrin Mitte 2018 fertig sein. Er wird in offener Bauweise hergestellt. Das heißt, dass die Baugruben nacheinander von oben geöffnet werden. Dieses Verfahren spare im Vergleich zur ursprünglich geplanten bergmännischen Bauweise Zeit und Geld, sagt die Bahn. Der erst mit der 14. Planänderung im November 2014 genehmigte Kanal ist kürzer als der einst dort vorgesehene. Er ist 206 Meter lang, beginnt am Königin-Katharina-Stift, unterquert den Bereich des zukünftigen Bahnhofstrogs in knapp 80 Metern Tiefe und steigt im Bereich des Planetariums wieder auf die alte Höhe an. Der Abfluss erfolgt nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhre, sodass sich der Wasserstand auf der einen Seite auch auf der anderen Seite einstellt.

 

Stadtbahnstrecken müssen unterbrochen werden

Das veränderte und inzwischen vom Eisenbahn-Bundesamt genehmigte Verfahren führt allerdings auch dazu, dass die Stadtbahnstrecken zwischen Staatsgalerie und Charlottenplatz von vermutlich Mitte 2016 an für neun Monate nicht genutzt werden können. Die Strecken zwischen Staatsgalerie und Hauptbahnhof dürften von Sommer 2017 an für zwei Jahre unpassierbar sein. Trotzdem versichern die SSB, dass in der Zeit alle Haltestellen angefahren werden. Die Arbeiten unter der Schillerstraße sollen laut Plan Mitte 2016 beginnen. Entgegen erster anderslautender Pläne garantiert die Bahn, dass in der Bauzeit alle Fahrspuren inklusive der Busspur erhalten bleiben.

Die bahnkritischen Ingenieure 22 haben den Baubeginn am Nesenbachdüker zum Anlass genommen, ihre Kritik an diesem für Stuttgart 21 zentralen Bauwerk zu erneuern. Laut einer vorab verbreiteten Erklärung erinnerte der Ingenieur Hans Heydemann auf der 274. Montagsdemo daran, dass der Kanal bereits seit zwei Jahren hätte fertig sein sollen. Dies sei nicht möglich gewesen, weil nach den ursprünglichen Plänen „sehr tief in die Grundgipsschichten eingeschnitten worden“ wäre. Dadurch hätte Mineralwasser einbrechen können. Doch auch die jetzigen Pläne seien nur schwer zu realisieren. Für die Baugrubenwände müssten drei dichte Bohrpfahlreihen nebeneinander im Abstand von je zehn Metern gestellt werden. Die Pfähle sollen, so Heydemann, bis zu dreieinhalb Meter tief in die das Mineralwasser schützenden Grundgipsschichten hineinreichen. Diese könnten aufbrechen und das Mineralwasser aufsteigen lassen. Heydemanns Fazit: „Der frühere OB Schuster hatte mal den Schutz des Mineralwassers zum K.-o.-Kriterium für S 21 erklärt – heute unter OB Kuhn gilt das offenbar nicht mehr.“

Bahn versichert, dass das Mineralwasser geschützt wird

Die Bahn weist dagegen daraufhin, dass der „Schutz des Mineralwassers ein wichtiges Gut und gegeben sei“. Durch ein entsprechendes Bauverfahren werde der Druck auf das Erdreich „so groß gehalten, dass die mineralwasserführenden Schichten geschützt bleiben“. Und die Bohrpfahlwand bleibe in der Erde, was ebenfalls kein Hindernis sei, „da diese parallel zur natürlichen Fließrichtung liegt“.