Der Filderdialog startet in die zweite Runde: Weil die Mehrheit der Projektpartner den Anschluss des Flughafens an die Gäubahn für nicht verhandelbar erklärt, reduziert sich die Zahl möglicher Alternativen.

Leinfelden-Echterdingen - Am Freitag soll es bei der zweiten Runde des Filderdialogs ans Eingemachte gehen: Das Bürgerplenum diskutiert im Kongresszentrum der Messe über sieben Trassen, auf denen der Fern- und Regionalverkehr aus und in Richtung Zürich zum Flughafen geführt werden könnte. Allerdings legen die Stadt Stuttgart, die Region, die Flughafengesellschaft, die CDU-Landtagsfraktion und der SPD-Teil der grün-roten Landesregierung Wert darauf, dass die Gäubahntrasse über die neu zu bauende Rohrer Kurve direkt zum Airport gelenkt wird. Da Änderungen an der aktuellen Planung nur mit Zustimmung aller Projektpartner möglich sind, reduziert sich de facto jedoch die Zahl der möglichen Alternativen. Auch der S-Bahn-Ring auf den Fildern, den Stuttgart-21-Gegner ins Gespräch gebracht haben, dürfte keine Mehrheit finden. Die Debatte fokussiert sich daher zwangsläufig auf die von der Bahn mitten durch Leinfelden-Echterdingen geführte Strecke auf bestehenden S-Bahn-Gleisen, optimiert durch neue Pläne für den Fernbahnhof am Flughafen.

 

Die sogenannte Antragstrasse hat sich, wie die Bahn betont, schon im Raumordnungsverfahren bis 1997 eindeutig ergeben, war aber immer auch umstritten. Und nicht zuletzt deshalb fehlt bis heute der Segen der zuständigen Aufsichtsbehörde. Dabei war mit der Baugenehmigung für die Fildertrasse bereits im ersten Quartal 2011 gerechnet worden. Doch noch immer sind nicht alle Voraussetzungen für die Genehmigung erfüllt. „Die Überarbeitung der Planunterlagen – insbesondere Aktualisierung artenschutzrechtlicher Unterlagen – durch die Vorhabenträgerin dauert noch an“, teilte das Eisenbahn-Bundesamt (EBA), die Bonner Genehmigungsbehörde, auf Anfrage der Stuttgarter Zeitung mit.

Eisenbahnbundesamt hält S-Bahn-Strecke für nicht ausgelastet

Zur Erinnerung: Der Schienenkonzern hat sich bereits im Oktober 2002 darauf festgelegt, den Fernverkehr aus Richtung Zürich/Singen über die bestehende S-Bahn-Strecke zum Flughafen zu leiten. Zwei Gründe waren für diese Lösung ausschlaggebend: zum einen schied der Neubau einer separaten, autobahnnahen ICE-Trasse für den Konzern aus finanziellen Gründen aus, zumal das EBA erklärte, der bestehende S-Bahn-Ast sei mit drei Nahverkehrslinien nicht wirklich ausgelastet. Zum anderen hätte das langwierige Genehmigungsverfahren für eine solche Streckenführung durch die freie Landschaft die pünktliche Fertigstellung des Gesamtprojekts Stuttgart 21 – damals war man noch vom Jahr 2019 ausgegangen – über den Haufen geworfen.

Die Fildertrasse ist sowohl baulich wie zeitlich ein Provisorium – was auch in Bahnkreisen eingeräumt wird. Der geringe Gleisabstand von 3,80 Meter statt vier Metern wurde einst beim Bau der Strecke nur genehmigt, weil die Anzahl der Zugtypen auf die S-Bahn reduziert war. Bereits in den 90er Jahren stellte dies eine Ausnahme von der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung dar. Sie wurde zugelassen, weil man Baukosten sparen wollte. Weil dort jetzt aber doch Fernverkehr vorgesehen ist, bedarf es einer Ausnahme von der Ausnahme.

Gleich zwei Minister, der Sozialdemokrat Wolfgang Tiefensee und sein Nachfolger Peter Ramsauer (CSU), prüften das viele Jahre lang. Erst im Sommer 2010 gab Ramsauer schließlich grünes Licht. Die Genehmigung gilt aber nur bis 2035 und ist mit vielen Auflagen versehen, die den Ausnahmecharakter unterstreichen. Einschränkungen und Nachbesserungen gibt es beispielsweise beim Sicherheitskonzept. Bei einem unvorhergesehenen Stopp eines Zuges müsste die Strecke in beiden Richtungen per Notruf vollständig gesperrt werden. Gleiches gilt im Fall von Instandhaltungsarbeiten in den Tunnels. Der Fahrplan für den Fernverkehr, aber auch für die S-Bahn geriete zwangsläufig aus dem Takt. Die Hochgeschwindigkeitszüge dürfen zudem nur mit Tempo 80 bis 100 durch die Stadt zuckeln.

Ursächlich für diese Vorgaben ist der geringe Tunnelquerschnitt von zweimal 4,50 Meter. In ihm lassen sich noch das sogenannte G2-Profil – also der lichte Raum über dem Fahrweg der S-Bahnen, der zwingend frei gehalten werden muss – und der Rettungsweg unterbringen. Legt man aber das voluminösere GC-Profil für Züge zugrunde, die keine S-Bahnen sind, ragen diese (formal) in den Rettungsweg hinein. Während inzwischen die Baurichtlinien deutschlandweit für neue Tunnels 1,20 Meter breite Rettungswege vorschreiben, hält Ramsauer im Fall der engen S-Bahn-Tunnels einen Meter für ausreichend – derzeit wären es sogar nur 80 Zentimeter.

ICE zuckeln mit Tempo 80 bis 100 mitten durch die Stadt

Ein weiteres Problem des Streckenabschnitts zwischen Rohrer Kurve und dem Flughafen ist die Leistungsfähigkeit des Flughafenbahnhofs. Im vergangenen Jahr hatte das Eisenbahn-Bundesamt Zweifel an den optimistischen Berechnungen des Gutachters Ullrich Martin von der Universität Stuttgart angemeldet. Weil S-Bahnen und Fernverkehrszüge künftig getrennt an den beiden unterschiedlich hohen Bahnsteigen halten und deshalb ebenerdige Kreuzungen vor und hinter der Station für den Gleiswechsel nötig sind, könnte der Flughafen zum Flaschenhals werden. Das vom Leiter des Verkehrswissenschaftlichen Instituts der Uni entwickelte Betriebsprogramm mit maximal 18 Zügen pro Stunde sei „auf keinen Fall fahr- und planbar“, hieß es in einer internen Stellungnahme des EBA. Schon die vom Verkehrswissenschaftler berechnete optimale Kapazität von elf bis 16 Zügen hielt die Prüfbehörde für „extrem grenzwertig“.

Die Aufsichtsbehörde kam zum Schluss, die Untersuchung sei nicht geeignet, nachzuweisen, dass die Infrastruktur für das geplante Betriebsprogramm ausreichend sei. Mittlerweile hat die Bahn aber offenbar nachgebessert. Laut EBA hat die DB Netz AG die Unterlagen, die zur Kapazitätsprüfung der Antragstrasse erforderlich sind, „inzwischen vervollständigt“. Sie umfassten den notwendigen Betrachtungsraum und enthielten auch Simulationsauswertungen. Nach dem aktuell vorliegenden Planungsstand „ergeben sich damit im Hinblick auf Kapazitätsfragen keine Bedenken gegen die Eröffnung des Anhörungsverfahrens“, wie es heißt.

So sieht es auch der Stuttgart-21-Projektsprecher Wolfgang Dietrich, der betont, die Rückfragen des EBA an die Bahn hätten zu keiner Zeit Planänderungen notwendig gemacht: „Es sind aktuell keine Fragen des Eisenbahn-Bundesamts offen.“