Das Projekt Stuttgart 21 wird nun mit 4,3 Milliarden Euro veranschlagt. Der Lenkungskreis ist nicht informiert.

Stuttgart - Die Bahn ist dabei, weiter Vertrauen zu verspielen“, sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Edith Sitzmann. „Die Bürger haben der Bahn bei der Volksabstimmung Glauben geschenkt, dass es bei den genannten 4,088 Milliarden Euro bleibt.“ Sie reagiert damit auf einen StZ-Bericht über die im Bahn-Aufsichtsrat von Technikvorstand Volker Kefer als „streng vertraulich“ präsentierte Erhöhung des Gesamtwertumfangs (GWU) von Stuttgart 21 auf 4,33 Milliarden Euro am 14. Dezember – nur zwei Wochen nach dem Urnengang. Der GWU stellt das von den Gremien der Projektpartner genehmigte Investitionsbudget dar.

 

Sprecherbüro dementiert

Das S-21-Sprecherbüro bezeichnete am Dienstag den Bericht darüber, dass sich das Projekt der Kostenobergrenze von 4,52 Milliarden Euro nähere, als falsch. Sie begründet dies mit dem Hinweis, die Summen seien dem S-21-Lenkungskreis schon im September präsentiert worden. Das ist auch unstrittig. Neu in der Präsentation von Kefer gegenüber der Darstellung in der Lenkungskreissitzung hingegen ist die Anpassung des Gesamtwertumfangs von 4,088 Milliarden auf 4,33 Milliarden Euro. Der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl machte die Grünen für die Kostensteigerung verantwortlich, weil sie mit allen „möglichen und unmöglichen Mitteln und Tricks“ für Verzögerungen sorgten und den Bau verschleppten. Die Bahn selbst begründet die jetzt vorgenommene Anpassung freilich mit „konkreten Risiken und Vergaben“.

Der Risikopuffer für Unvorhergesehenes wird nun mit 196 Millionen Euro angegeben, ergänzt um einen für Inflationsrisiken von 194 Millionen Euro. Dieser Betrag wurde gegenüber der Lenkungskreissitzung aber um 129 Millionen Euro gesenkt, er betrug bisher 323 Millionen Euro. Begründung: es wurden bereits Aufträge im Umfang von 1,5 Milliarden Euro vergeben, so dass für diesen Betrag ein Inflationsrisiko ausgeschlossen werden könne. Diese Rechnung ist nach Ansicht bahnkritischer Experten unzulässig. Der Inflationspuffer von 322 Millionen Euro sei ein Durchschnittswert, der nicht bei einer positiven Vergabe gekürzt werden dürfe; er würde schließlich über Gebühr beansprucht, falls die Preissteigerung einmal über den unterstellten 1,5 Prozent pro Jahr liege.

Risikotöpfe ursprünglich getrennt

Unzulässig sei auch, die Puffer für Inflation einerseits sowie für Mehrausgaben bei Planung und Bau andererseits in einen Topf zu schmeißen, in dem sich jetzt 390 Millionen Euro befinden. So verfährt die Bahn auch erst seit der Lenkungskreissitzung im September. Im Finanzierungsvertrag von 2009 waren beide Risikotöpfe getrennt ausgewiesen worden.

Edith Sitzmann beklagt, noch vor wenigen Wochen hätte die Bahn dieser Berechnung, damals vom Verkehrsministerium angestellt, widersprochen. Kritiker sagen, dies sei aus gutem Grund geschehen: Hätte der Konzern den höheren Umfang, der nah an der Obergrenze liegt, schon in der Lenkungskreissitzung im September ausgewiesen, wäre das Gremium zu einem Beschluss gezwungen gewesen, der vor der Volksabstimmung die Debatte über drohende Mehrkosten befeuert hätte. Die Grünen machten gestern aber deutlich, dass für sie der Kostendeckel von 4,526 Milliarden Euro „weiterhin unverrückbar gilt“. Sie fordern auch, dass alle Bestandteile aus dem Schlichtungsverfahren aus dem Risikopuffer bezahlt werden. Das sehen Land, Stadt Stuttgart und Region genauso, die Bahn lehnt das aber ab. Sie fordert stattdessen eine neue Finanzierungsvereinbarung über einen Betrag von 80 Millionen Euro „plus x“, wobei das „x“ die Mehrkosten in unbekannter Höhe für den Erhalt der Gäubahn und die Anbindung an den Tiefbahnhof darstellt, um das Notfallkonzept für die S-Bahn zu erfüllen. Der Kaufpreis dafür hat einst elf Millionen Euro betragen.