Die Bahn will die Partner an den Kosten für das Versetzen der Bäume aus dem Schlossgarten beteiligen. Die S21-Gegner bleiben skptisch.

Stuttgart - Der Abriss des Nordflügels am Hauptbahnhof im Sommer 2010 hatte bei den Gegnern von Stuttgart 21 Betroffenheit ausgelöst, aber erst die Fällung von Bäumen im Mittleren Schlossgarten führte am 30. September zur Eskalation. Dementsprechend wissen alle Beteiligten um die Brisanz der für die kommende vegetationsfreie Periode zwischen Oktober 2011 und März 2012 angekündigten Rodungen für die Baugrube des geplanten Tiefbahnhofs. Wie viele Bäume im Schlossgarten letztlich gemäß dem Geißler'schen Schlichterspruch versetzt werden können oder doch gefällt werden müssen, darüber befinden sich laut dem Stuttgart-21-Projektbüro die Projektpartner derzeit "in Abstimmung".

 

Zwar will Oberbürgermeister Wolfgang Schuster das Thema erst in dem von ihm initiierten Dialogforum Ende September aufrufen lassen, doch Recherchen der Stuttgarter Zeitung haben ergeben, dass zumindest die Bahn bereits entsprechende vorläufige Begutachtungen des Baumbestandes hat vornehmen lassen. Diese ersten Untersuchungen zeigen angeblich, dass ein Gutteil der Bäume umgesetzt werden könnte - wenn man sich über die Finanzierung verständigt und genügend Anpflanzstandorte zur Verfügung stehen.

Im Bauabschnitt 1.1., der den Tiefbahnhof betrifft, müssen 282 Bäume mit einem Stammumfang von mindestens 80 Zentimetern weichen, 193 davon allein im Mittleren Schlossgarten. Unter diesen befinden sich 13 im Planfeststellungsbeschluss, der offiziellen Baugenehmigung für die Bahn, gesondert erwähnte Bäume mit Stammumfängen zwischen 300 und 450 Zentimetern, deren Verlust besonders schwer wiegt.

Land und Stadt sollen sich an Versetzung beteiligen

Zwölf Bäume, die der Baugrube für den Tiefbahnhof im Weg stehen, wurden bereits am 30. September bei der nächtlichen Fällung von 25 Bäumen für die Errichtung der Zentrale des Grundwassermanagements beseitigt, darunter eine besonders markante Platane im Bereich des früheren Omnibusbahnhofs, die zu den besonders schützenswerten Exemplaren aus dem Planfeststellungsbeschluss zählte. Bleiben insgesamt 181Bäume, die versetzt oder gefällt werden müssten. Weitere 16 Bäume mit einem Stammumfang von mindestens 80Zentimetern sind, wie das Projektbüro auf Anfrage erklärte, nach Einschätzung von Experten problemlos versetzbar. Übrig bleiben 165 Exemplare, die in den nächsten Wochen Gegenstand der Diskussionen werden dürften. Darunter befinden sich auch jene zwölfals besonders wertvoll angesehenen Exemplare. Sie müssten wohl gefällt werden, falls sie nicht durch eine Modifizierung der Planung doch noch erhalten werden könnten.

Bäume sind zumindest verpflanzbar

Die Bahn geht nach Angaben von Projektsprecher Wolfgang Dietrich bis auf Weiteres davon aus, dass auch ein Gutteil des Restbestandes zumindest theoretisch verpflanzbar wäre: "Wir werden dazu im Dialogforum eine Baumbilanz vorlegen, die als Arbeitsgrundlage für die Begutachten durch Experten und Umpflanzungsspezialisten dienen soll", so Dietrich. Allerdings erwarte man von den Projektpartnern Land und Stadt, dass sie sich an der Finanzierung einer solchen Aktion entsprechend beteiligten. Über die Kosten hüllt sich Dietrich noch in Schweigen, appelliert aber insbesondere an den Projektpartner Land, im Sinne des Geißler'schen Schlichterspruchs an dem Diskurs im Dialogforum teilzunehmen.

Zwei Jahre Vorbereitungszeit für Umpflanzung

Freiwillig und auf eigene Rechnung verpflanzt hat die Bahn bisher 16Bäume rund um den Nordausgang am Parkplatz. Über die Überlebenschancen der umgepflanzten Bäume sind sich Projektbefürworter und -gegner uneins. Während die Bahn die Neuanpflanzungen als erfolgreich bewertet und dabei auch auf die "Anwachsgarantie" verweist, die von der beauftragten Spezialfirma vergeben wurde, hatte, wie berichtet, der Gartenbaumeister Michael Dieter von der Stuttgart-21-kritischen Gruppe Baumpaten der Mehrzahl ein baldiges Absterben vorausgesagt.

Was die Bäume im Schlossgarten angeht, ist der Gartenbaumeister noch skeptischer: "Um ein Überleben zu gewährleisten, bräuchte man mindestens zwei Jahre Vorbereitungszeit", so Dieter. Andernfalls werde das fürs Anwachsen unabdingbare Feinwurzelwerk absterben, die Bäume gingen ein. Zudem sei eine Verpflanzung der Riesen im Schlossgarten sehr viel schwieriger als bei den Bäumen vom Nordausgang: "Weil der Boden wassergesättigt ist, reichen dort die Wurzeln viel tiefer und überschneiden sich zudem."

Auch eine Baumverschiebung, wie sie der Nürnberger Baumsachverständige Bodo Siegert in der StZ angeregt hatte, hält Dieter für unmöglich. Seine Prognose: "Kein Baum wird überleben."

Das hat der Bahn das Gelände überlassen

Krongut Der Mittlere Schlossgarten mitsamt der Bäume ist Teil des sogenannten Kronguts, das sich einst im Besitz des letzten Königs von Württemberg, Wilhelm II., befand. Noch vor seinem Thronverzicht am 30. November 1918 wurde zwischen ihm und dem neuen baden-württembergischen Staat ein Abkommen geschlossen, wonach ein Großteil seiner Besitztümer - Gebäude, Güter und Grundstücke - in den Besitz des republikanischen Landes überführt werden sollte. Mittlerweile verwaltet die Abteilung Vermögen und Bau im Finanzministerium das Krongut.

Eigentumsverhältnisse Die frühere CDU-FDP-geführte Landesregierung hat der Bahn eine Teilfläche des Mittleren Schlossgartens zur dauerhaften Nutzung für den Bau und Betrieb des unterirdischen Bahnhofstrogs überlassen. Weitere Flächen, wie etwa das Areal für die Zentrale des Grundwassermanagements, wurden dem Konzern zur zeitlich befristeten Nutzung übergeben. Alle Flächen verbleiben aber formal laut Übergabevereinbarung im Eigentum des Landes. Die Höhe der ebenfalls vertraglich fixierten Entschädigungszahlungen, die die Bahn für die Nutzung an das Land zu entrichten hat, steht nach Angaben des Finanzministeriums nach wie vor nicht fest.