Die neue Gleisüberführung für Stuttgart 21 vor Schloss Rosenstein nimmt langsam Gestalt an. Zwölfmal sollen je 20 Meter lange Brückenabschnitte über den Neckar geschoben werden.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Es läuft wie geschmiert – was vor allem jenen beiden Arbeiten zu verdanken ist, die mit einem Spachtel dick Gleitmittel auf einen Strahlträger bringen. Die Paste lässt ein 250 Tonnen schweres Brückenteil scheinbar mühelos nach vorn gleiten. Mit diesem ersten, im Fachjargon Schuss genannten, Verschieben wird der Brückenbau für Stuttgart 21 sichtbar. Die ersten 20 Meter der im Endausbau 345 Meter langen und Platz für vier Gleise bietenden Brücke machen sich auf den Weg über den Neckar.

 

Das mit dem geschmiert laufen, gilt nur eingeschränkt für den bisherigen Verlauf des Vorhabens. „Wir hoffen das Tempo noch steigern zu können“, kann sich selbst Projektsprecher Jörg Hamann nicht eines gewissen Sarkasmus’ enthalten. Der Wettbewerb, aus dem der nun verwirklichte Entwurf des Stuttgarter Büros Schlaich, Bergermann und Partner siegreich hervorging, datiert aus dem Jahr 1998. Bei der Bahn will man aber nichts davon wissen, dass der Brückenschlag von gestern sein könnte. „Die Brücke wird eine Landmarke“, ist Christoph Lienhart überzeugt. Der Ingenieur ist für die Stuttgart-21-Abschnitte von Bad Cannstatt und von Feuerbach zum neuen Bahnhof verantwortlich. Anders als das übrige Tun Lienharts, das sich bevorzugt beim Tunnelbau zeigt, ist die neue Neckarbrücke ein für die Öffentlichkeit gut zu sehendes Bauwerk.

Teflonauflagen lassen die Brückenteile rutschen

Alle sechs Wochen, so der Zeitplan, sollen nun jeweils 20 Meter lange Abschnitte über den Fluss geschoben werden. Die neuen Teile werden dabei mit den bereits in Position gebrachten Abschnitten auf einer Arbeitsplattform am Westufer verschweißt. Auf diese Weise wächst die Brücke in Richtung Cannstatter Bahnhof. Teflonauflagen sorgen neben der Fettpaste dafür, dass es flutscht. „Das Brückengewicht mal drei Prozent benötigen wir als Kraft, um die Teile vorwärts zu drücken“, erklärt Lienhart. Beim letzten Verschub, wenn die Brücke das gegenüberliegende Neckarufer erreicht, müsse immerhin ein Gewicht von gut 300 000 Tonnen bewegt werden.

Doch soweit ist es noch nicht. Lienhart sieht die Arbeiten aber voll im Zeitplan. 2019 soll der Rohbau der Brücke fertig sein, dann können die Gleisbauer anrücken. Zum Brückenschlag gehört auch ein Fußgänger- und Radfahrersteg, der unter der Bahnbrücke hängt und den wegen des Bauvorhabens abgerissenen Holzsteg ersetzen soll. Die neue Neckarquerung wird aber erst mit Inbetriebnahme des neuen Bahnknotens zur Verfügung stehen – also frühestens 2021. Solange müssen Passanten und Radler von Bad Cannstatt zum Rosensteinpark den Umweg über die König-Karls- oder die Rosensteinbrücke nehmen. Um den Brückenschlag zu vervollkommnen baut die Stadt einen Übergang über die B 10, der den abgerissenen Elefantensteg ersetzt. „Wir sind in Abstimmung mit der Stadt wegen der Zeitpläne“, sagt Sebastian Heer, der als Teamleiter den Brückenbau über den Neckar verantwortet. Der städtische Steg endet vor dem Portal des historischen Rosensteintunnels, durch den einst Dampfzüge unter Schloss Rosenstein hindurch zum Hauptbahnhof fuhren.

Entscheidung der EU steht aus

Wenige Meter neben dem historischen Portal soll ein neuer Tunnelmund entstehen, in den dann Fern- und Regionalzüge sowie S-Bahnen fahren auf dem Weg in die Innenstadt. Doch dort, wo die Bahnen unter Tage verschwinden sollen, stehen sechs Bäume, in denen streng geschützte Juchtenkäfer vermutet werden. Die Gehölze zu fällen, ist nur mit einer Ausnahmegenehmigung der Europäischen Union möglich, abschließend befindet die Europäische Kommission darüber. „Alle Papier sind in Brüssel, alle Fragen aus unserer Sicht beantwortet“, sagt Lienhart zum Stand des Verfahrens. Mögliche Auswirkungen auf den Terminplan sieht der Ingenieur noch nicht. Projektsprecher Jörg Hamann aber lässt keinen Zweifel, dass man gerne in der nächsten vegetationsfreien Periode, die Anfang Oktober beginnt, die Axt anlegen und das Baufeld freimachen möchte. Und solange es keine Post aus Brüssel gibt, müssen eben die Brückenbauer dafür sorgen, dass es auf der Baustelle am Neckarufer wie geschmiert läuft.