Der frisch gebackene Oberbürgermeister Fritz Kuhn löst eine erneute Grundsatzdebatte über das Projekt aus. Er sieht die Bahn immer noch in einer Vertrauenskrise. Die CDU bekennt sich nach wie vor zu Stuttgart 21.

Stuttgart - Die Schonfrist für den grünen Oberbürgermeister Fritz Kuhn währte acht Tage: Im Anschluss an seine Antrittsrede, bei der er die Bahn wegen der Kostenexplosion beim Projekt Stuttgart 21 kritisierte, von Vertrauenskrise sprach und eine Debatte über Alternativmodelle einforderte, hatten ihm auch die politischen Gegner freundlich Beifall gezollt. Doch schon in der ersten Sitzung des Technikausschusses im Jahr 2013 ging ihn die CDU – unterstützt von FDP und Freien Wählern – frontal an, und die SPD äußerte ihren Unmut über die Haltung des OB.

 

Er habe offenbar „noch nicht den Hut des Oberbürgermeisters auf“, sagte am Dienstag der CDU-Stadtrat Philipp Hill an die Adresse Kuhns. Es gehe Kuhn nur darum, die Bahn zu diskreditieren, um das Projekt noch zu verhindern. Der OB konterte mit dem Hinweis, ein Freund klarer Worte zu sein. „Wir haben eine Vertrauenskrise. Und die kann man nicht zur Seite schieben, nur weil man es nicht hören will.“ Der neue OB merkte auch an, dass es Hill offenbar an Respekt gegenüber dem Amt des Verkehrsministers mangele. Hill hatte auch deshalb eine Neujustierung des Lenkungskreises für sinnvoll erachtet, weil es keinen Sinn ergebe, ihn mit „dem Hermann“ zu bestücken, „der sich dort am Bahnvorstand Kefer abarbeitet“.

Hill hatte sich auf Aussagen des SPD-Landtagsfraktionschefs Claus Schmiedel bezogen, der den Lenkungskreis für überflüssig hält. Kuhn meint dagegen: „Wir brauchen ihn gerade jetzt.“ Land und Stadt würden sich aber nicht mehr im Gremium „mit Diavorträgen der Bahn“ zufriedengeben, sondern Belege und Begründungen für die Kostensteigerungen und Risiken einfordern.

Der OB stellte sich den Fragen der FDP persönlich

Fritz Kuhn war in den Ausschuss gekommen, um die in einem FDP-Antrag gestellten Fragen nach Alternativen selbst zu beantworten. Die „Süffisanz“ im Antrag habe er bewusst ignoriert, sagte der OB. „Die FDP kennt keine Alternativen“, betonte der Stadtrat Günter Stübel. Davon träumten nur die Gegner. Der neue OB habe bei ihnen falsche Erwartungen geweckt.

Der Gescholtene verwies zum wiederholten Mal darauf, dass sich seit dem 12. Dezember, als die Bahn Mehrkosten von 1,1 Milliarden und Risiken von 1,2 Milliarden Euro präsentierte, Grundlegendes geändert habe. „Die Stadt ist in einer Situation, in der der Bahn-Aufsichtsrat entscheidet, ob er S 21 überhaupt fortsetzt, der Projektträger also nicht mehr weiß, ob es weitergeht, gut beraten, über Alternativen nachzudenken.“ Wie stünde die Stadt denn da, wenn das Projekt beendet würde, fragte Kuhn. In den bestehenden Kopfbahnhof sei seit Langem nicht mehr investiert worden. Deshalb müsse die Stadt auf den Tag X vorbereitet sein. Zudem gelte es, über die Finanzierung zu reden, schließlich erwarte die Bahn, dass die Projektpartner für die Risiken jenseits der 1,1 Milliarden Euro geradestünden. „Wir haben in der Bürgermeisterrunde besprochen, dass wir uns nicht an Mehrkosten beteiligen“, sagte der OB. Er hielt fest, dass die Stadt auf der Basis des Rechts, der Finanzierung und der politischen Mehrheiten agiere.

Hill hatte Kuhn für die Aussage kritisiert, die Bahn habe „den Karren gegen die Wand gefahren“. Es gebe auch keine Vertrauenskrise. Der OB könne kritische Fragen stellen, er habe aber „die große Mehrheit im Gemeinderat für S 21 und das Ergebnis der Volksabstimmung in Land und Stadt zu respektieren.“ Er erwarte deshalb, dass sich Kuhn für Stuttgart 21 einsetze. „Wir von der CDU würden uns auch heute noch einmal dafür aussprechen“, so Hill. Seine Partei stehe aber auch fest zum Kostendeckel.

Der SPD gefällt die Ausstiegsdiskussion nicht

Der SPD-Fraktionsvorsitzenden Roswitha Blind wäre es auch lieber gewesen, Kuhn hätte keine Ausstiegsdiskussion vom Zaun gebrochen, sondern würde die Dinge so sehen wie der Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Es sei doch bekannt, dass S 21 sämtlichen Alternativen überlegen sei und die Bahn wegen des Vertrags gar nicht aussteigen dürfe. Sie freue sich auf die Zeit, wenn die Platanenallee fertig sein wird.

Jürgen Zeeb (Freie Wähler) sieht „zur Zeit keine realisierbaren Alternativen. Käme S 21 nicht, „hätten wir für Jahrzehnte nichts“. Gangolf Stocker (SÖS) sagte, es mache „endlich wieder einmal Spaß, einem Stuttgarter OB zuzuhören“. Würde das Projekt beendet, erhielte die Stadt 500 bis 600 Millionen Euro zurück. FDP und Freien Wählern konstatierte er „ein geradezu olympisches Ignorantentum“. Für S 21 gebe es keine Planrechtfertigung. Das Projekt sei „ein einziger Schwarzbau“.