Der neue Tiefbahnhof soll nach dem Willen der Deutschen Bahn auf jeden Fall gebaut werden. Das gilt auf für den Fall, dass er sich für die Bahn als Bauherrin nicht rechnet.

Berlin - Angesichts der drastischen Kostensteigerung um mindestens 1,1 Milliarden Euro und zusätzlicher Risiken in Höhe einer weiteren Milliarde stellt sich die Frage, ob ein Ausstieg aus dem umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21 nicht die wirtschaftlich beste Lösung wäre. Die Deutsche Bahn selbst hat dazu nach der Aufsichtsratssitzung am Mittwoch in Berlin, bei der die Mehrkosten erstmals offiziell eingeräumt wurden, noch einmal deutlich Stellung bezogen: Ein Ausstieg sei nicht vertragskonform, betonte der Bahn-Technikvorstand Volker Kefer. Zudem würde er das Unternehmen noch teurer kommen.

 

Knapp zwei Milliarden Euro kostet die Bahn der Ausstieg nach eigenen Berechnungen, wobei vor allem die Wiederherstellung des Stuttgarter Bahnhofs und der Baufelder, die Rückabwicklung der Grundstücksgeschäfte, die Abschreibung der Planungskosten und bereits ausgeführten Bauleistungen sowie Ausfallzahlungen an Bauunternehmen zu Buche schlagen würden. Noch nicht berechnet seien der auch nach einem Ausstieg notwendige Umbau des Gleisvorfelds im Stuttgarter Hauptbahnhof sowie die zu erwartende Schadenersatzklagen der Projektpartner, so Kefer. Zudem sei mit einem Ausstieg aus dem milliardenschweren Projekt, das internationale Bedeutung habe, ein hoher Reputationsschaden verbunden. In der Addition aller Punkte sei es besser für die Bahn, so Kefer, „die Mehrkosten selber zu übernehmen“.

Ein Ausstieg sei rechtlich nicht möglich, sagt Grube

Zuvor hatte bereits der Bahn-Chef Rüdiger Grube bekräftigt, den Tiefbahnhof auf jeden Fall zu bauen: „Wir stehen zu Stuttgart 21.“ Ein Ausstieg sei schon rechtlich nicht möglich, so Grube, die Bahn habe eine Ausführungsverpflichtung. Tatsächlich ist die anfänglich zwischen den Projektpartnern vereinbarte Ausstiegsklausel Ende des Jahres 2009 ausgelaufen, nachdem der Gesamtwertumfang für das Verkehrsprojekt auf 4,088 Milliarden Euro erhöht worden war. Allerdings hatte Grube seinerzeit auch vorgerechnet, dass das Projekt für die Bahn nur bis knapp 4,7 Milliarden Euro wirtschaftlich sei. Darüber hinaus sei Stuttgart 21 ein Verlustgeschäft für die Bahn, so der Bahn-Chef damals.

Nun soll der Aufsichtsrat des größten deutschen Staatsunternehmens einer Erhöhung des Finanzierungsrahmens auf 5,626 Milliarden Euro zustimmen, womit das Projekt gemessen an Grubes Bewertung deutlich außerhalb jeder Wirtschaftlichkeit liegen würde. Zudem könnten auch auf die Projektpartner weitere Kosten in Höhe mehrerer Hundert Millionen Euro zukommen. Dennoch sieht der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) das Ergebnis der Volksabstimmung, wonach Stuttgart 21 gebaut werden muss, von den Mehrkosten unberührt.

Der Rechtswissenschaftler sagt, ein Ausstieg sei möglich

Nach Einschätzung des Rechtswissenschaftlers Joachim Wieland wiederum, der häufig bei verfassungsrechtlichen Fragen als Gutachter und Prozessvertreter auftritt, hat die Volksabstimmung keine verbindliche Wirkung mehr für die Landesregierung als Projektpartner. Die Baden-Württemberger hätten im November vergangenen Jahres unter der Prämisse abgestimmt, dass der Kostendeckel von rund 4,5 Milliarden Euro nicht überschritten werde, so Wieland. Nachdem jetzt aber nachweislich klar sei, dass die Kosten weit höher liegen werden, sei die Landesregierung nicht mehr an die Volksabstimmung gebunden, so der Rechtsprofessor. Damit sei auch ein Ausstieg aus Stuttgart 21 möglich.