Von Dezember an zeigt das Haus der Geschichte den Stuttgart 21-Bauzaun vom Bahnhof. Er sei zum Symbol geworden, sagt die Museumleiterin.

Stuttgart - Der Bauzaun rund um den inzwischen abgerissenen Nordflügel des Bonatz-Bahnhofs ist Geschichte - und dies im Wortsinne. Die insgesamt 80 Meter Länge umfassenden Gitterzaunelemente, die in der Nacht zum 30. Juli 2010 unter Polizeischutz aufgestellt worden waren, um den Beginn der Abbrucharbeiten gegen Proteste der Stuttgart-21-Projektgegner zu schützen, sind längst ersetzt worden. Auch der neue Zaun wurde rasch zur Reflexions- und Projektionsfläche für die Auseinandersetzung um das umstrittene Bahnprojekt.

 

Der alte Zaun mitsamt den mehr als 2.500 Exponaten, die Kritiker und Befürworter daran befestigt hatten, lagert derzeit noch in einem landeseigenen Depot in der Urbanstraße. Er bildete die Grundlage für die Ausstellung mit dem Titel "Dagegen leben?", die von Mitte Dezember an im Haus der Geschichte zu sehen sein wird.

Am 2. Dezember des letzten Jahres war der Zaun demontiert und eingelagert worden, die Exponate wurden von Schnee und Eis befreit, gereinigt und getrocknet. Bis dahin hatten Tausende von Bürgern mit selbst gebastelten Plakaten, Figuren, Karikaturen und Kränzen, die sie an den Drahtgitterstäben anbrachten, ihren Protest und auch ihre Wut gegen das "Milliardengrab Stuttgart 21" artikuliert. Später nutzten auch Befürworter des geplanten Tiefbahnhofs den Zaun für Meinungsäußerungen.

Der Zaun als Symbol für den Konflikt um S21

Für die stellvertretende Leiterin des Hauses, Paula Lutum-Lenger, die die Ausstellung mit einer Handvoll Mitarbeitern vorbereitet, ist der Zaun zum bundesweiten Symbol für den Konflikt um das milliardenschwere Vorhaben und die "gestörte politische Kommunikation" geworden.

Die Schau im Haus der Geschichte biete die "Chance, ein aktuelles Thema aufzugreifen, das viele Menschen umtreibt". Dabei erheben die Ausstellungsmacher nicht den Anspruch, die komplette Geschichte des Projekts zu erzählen.

Vielmehr geht es darum, zu dokumentieren, mit welcher Kreativität und welchem Potenzial an Fantasie die Menschen ihren Protest zum Ausdruck gebracht haben - auch wenn sich manche dabei im Ton vergriffen haben. Paula Lutum-Lenger jedenfalls hält Plakate, die Vergleiche zur Schlacht um Stalingrad im Zweiten Weltkrieg ziehen, für "bedenklich". Aber auch wenn solche Assoziationen nicht nachvollziehbar seien, gehörten sie dennoch zur Geschichte des Zauns dazu - eine Zensur habe jedenfalls nicht stattgefunden.

Viele S21-Kritikpunkte wurden am Bauzaun thematisiert

Und so könnten auch Politiker und Bahn-Manager wie der Exregierungschef Stefan Mappus, Stuttgarts OB Wolfgang Schuster (beide CDU), der vormalige Projektsprecher und SPD-Landtagsvizepräsident Wolfgang Drexler und Bahn-Chef Rüdiger Grube bei einem - freilich eher unwahrscheinlichen - Besuch der Ausstellung nochmals nachlesen, mit welcher Häme, aber auch Originalität und Witz ihr Tun von den Bürgern kommentiert wurde.

Moralische Instanzen wie Mahatma Gandhi oder Alexander von Humboldt wurden bemüht, um die handelnden Personen zur Umkehr bei dem scheinbar unumkehrbaren Projekt aufzurufen; die ungeklärten Finanzierungsfragen wurden ebenso thematisiert wie die Gefährdung des Mineralwassers oder der Entwurf des Architekten Christoph Ingenhoven.

Und schließlich haben sich nach dem 30. September 2010, als bei Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten im Schlossgarten mehr als 150 Protestierer und auch einige Beamte verletzt worden waren, viele Exponate mit dem Thema Gewalt beschäftigt.

Multimediale Ausstellung ist geplant

Präsentiert werden soll die Ausstellung im Untergeschoss des Hauses der Geschichte, garniert mit einem Gleisschotterbett sowie Monitoren, auf denen Filmszenen am Bauzaun zu sehen sind, sowie den Ingenhoven'schen Lichtaugen nachempfundenen Lautsprechern, aus denen Bahnhofsgeräusche dringen.

Laut Lutum-Lenger werden auch Führungen angeboten, welche die aktuelle Baustelle mit dem Museum verbinden. Ob OB Schuster die Festansprache bei der Ausstellungseröffnung am 15. Dezember halten wird, ist noch unklar: "Da sind wir im Gespräch."

Ausstellung Die Schau im Haus der Geschichte ist von 16. Dezember bis 1. April 2012 zu sehen.