Mit seinem Fernbleiben bei der Grundsteinlegung für Stuttgart 21 zieht das grüne Spitzenpersonal in Land und Stadt zum Teil harsche Kritik auf sich. Nur ein Parteifreund sieht sich zur Verteidigung aufgerufen.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Das Fernbleiben von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Landesverkehrsminister Winfried Hermann und Oberbürgermeister Fritz Kuhn (alle Grüne) bei der Grundsteinlegung für den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof hat am Tag vor der Feier Kritiker auf den Plan gerufen. Der grüne Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel verteidigt die Entscheidung seiner Parteifreunde.

 

Hier gibt es eine Timeline über die Geschichte des Jahrhundertprojekts Stuttgart 21.

„Dass die grünen Verantwortungsträger von Stadt und Land nicht an der Grundsteinlegung teilnehmen, zeugt von einem realitätsfernen Politikverständnis und ist alles andere als ,kritisch-konstruktive Begleitung‘ des Projekts, wie vom Landesverkehrsminister versprochen“, sagt Norbert Barthle, parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister, der statt Alexander Dobrindt an der Grundsteinlegung teilnimmt. Barthle, der im Bundestag den Wahlkreis Schwäbisch Gmünd/Backnang vertritt, erinnert die Grünen an das Votum bei der Volksabstimmung: „Die Mehrheit der Bürger in Baden-Württemberg befürwortet das Projekt.“

Kritik kommt auch von der Landtagsopposition. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch findet deutliche Worte: „Regieren ist in der Tat eine Stilfrage. Und deshalb kann sich der Ministerpräsident bei der Grundsteinlegung nicht in die Büsche schlagen“, sagte Stoch. Dies gelte auch für Verkehrsminister Hermann.

Verkehrsminister folgt Einladung einer Versicherung in die Schweiz

Der Ministerpräsident befindet sich freilich nicht im Unterholz, sondern in Berlin, wo er langfristig vereinbarte Termine wahrnimmt. Verkehrsminister Hermann weilt am Freitag auf Einladung der Helvetia-Versicherung in der Schweiz. „Er spricht dort vor 3000 Menschen über den Ausbau der Rheintalbahn. Diese führt in den Schweizer Gotthard-Basis-Tunnel, dessen Bau wiederum von der Helvetia versichert wurde“, teilt eine Sprecherin des Ministeriums auf Anfrage mit.

„Da wird eine persönliche Agenda verfolgt, anstatt eine mehrmalige Mehrheitsentscheidung zu akzeptieren“, sagte der Architekt Christoph Ingenhoven der Deutschen Presseagentur. Der Düsseldorfer hatte mit seinem Entwurf 1997 den von der Deutschen Bahn unter Beteiligung des Landes und der Stadt ausgelobten Realisierungswettbewerb für sich entschieden und zählt zu den Rednern bei der Grundsteinlegung. Nicht dabei ist hingegen OB Fritz Kuhn. Der Rathaus-Chef ist Sachpreisrichter beim einem städtebaulichen Ideenwettbewerbs für das Eiermann-Areal in Vaihingen. „Eine Terminabsprache, die es dem OB ermöglicht hätte teilzunehmen, kam mit der Bahn nicht zustande“, erklärt OB-Sprecher Andreas Scharf.

Grüner Bundestagsabgeordneter: „Inszenierter Festakt“

Schützenhilfe kommt vom grünen Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel. Der Filderstadter teilt mit: „Alle warten auf den nächsten Kostensprung. Es liegen auch mehr als sechs Jahre nach Baubeginn noch nicht alle Genehmigungen vor. Daher ist richtig, dass das grüne Spitzenpersonal von diesem inszenierten Festakt fernbleibt“.

Bei der Bahn ist man nicht gewillt, sich die Feierlaune durch Misstöne im Vorfeld verderben zu lassen. Auf Anfrage sagt ein Projektsprecher: „Es ist bedauerlich, dass keiner der hohen Amtsträger der Grünen anlässlich der Grundsteinlegung eines auch städtebaulich bedeutenden Gemeinschaftsprojekts für diesen Termin ein Zeitfenster offen hatte“.