Die Bundesregierung lehnt es bisher ab, dass die Bahn Mehrkosten von 1,1 Milliarden Euro bei Stuttgart 21 übernimmt. Argumente für die Position liefert ein internes Dossier. Welche sieben Gründe für den Bund dagegen sprechen, Mehrkosten zu übernehmen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Bundesregierung lehnt es bisher ab, dass die Bahn Mehrkosten von 1,1 Milliarden Euro bei Stuttgart 21 übernimmt. Eine Grundlage, dem Vorschlag von Bahnchef Grube zuzustimmen, sei „derzeit nicht gegeben“, heißt es im internen Dossier. Und weiter: „Die bisher angeführten Argumente greifen nicht.“ Das Bundesverkehrsministerium listet zum Aufsichtsratstreffen sieben Gründe auf, warum dem so ist.

 

1. Die Kostenangaben der DB werden bezweifelt. „Ein belastbarer aktueller Gesamtwertumfang wurde noch nicht ermittelt bzw. ausreichend geprüft“, heißt es in dem Ministeriumspapier. Die DB veranschlagt die Gesamtkosten von S 21 mittlerweile auf bis zu 6,8 Milliarden Euro und hat die Angaben in den letzten Jahren bereits mehrfach drastisch nach oben korrigiert.

2. Das Ministerium befürchtet weitere Kostenrisiken: „Die Beantwortung der Fragen sowie die Statusberichte der Wirtschaftsprüfer weisen auf erhebliche Risiken über die bisherigen Berechnungen der DB AG hinaus hin“, heißt es in dem Papier.

3. S 21 ist nach internen Einschätzungen der Experten für den Konzern unwirtschaftlich – anders als von der DB und dem Ministerium bisher behauptet. „Bei Betrachtung der gesamten Mehrkosten wird die Eigenkapitalverzinsung negativ“, schreiben die Fachleute des Bundes. Und weiter: „Deshalb müssen Alternativen bis zum Ausstieg ernsthaft untersucht werden, um den Schaden minimieren zu können.“

4. Auch die DB-Angaben zur Wirtschaftlichkeit von S 21 und von Alternativen wie dem Weiterbetrieb des bestehenden Kopfbahnhofs bezweifeln die Fachleute Ramsauers. „Die Wirtschaftlichkeit der Weiterführung kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden“, heißt es. Ebenso könne „nicht beurteilt werden, ob die Weiterführung eindeutig wirtschaftlicher als eine Alternative ist.“

5. Das Ministerium fordert eine neue Berechnung, ob sich S 21 im Vergleich zur Weiterführung des Kopfbahnhofs mit Neubaustrecke noch rechnet: „Zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit ist eine grundlegend neue Wirtschaftlichkeitsberechnung erforderlich, die eine Realisierung der ABS/NBS Stuttgart–Ulm–Augsburg im Weiterführungsfall berücksichtigt.“

6. Das Ministerium kritisiert, dass die Bahnspitze um Vorstandschef Grube - entgegen der Aufforderung des Aufsichtsrats – noch keine Verhandlungen mit den Projektpartnern über die ungeklärte Finanzierung der weiteren identifizierten Mehrkosten von 1,2 Milliarden Euro aufgenommen hat. „Die Sprechklausel wurde bisher nicht angewandt“, heißt es. Der Vorstand sei aber „vertraglich verpflichtet und vom Aufsichtsrat aufgefordert worden, mit den Projektpartnern kurzfristig Verhandlungen aufzunehmen“. Dabei sollten, fordert das Ministerium, „alle Möglichkeiten der gemeinsamen Bewältigung des Projekts erörtert werden“.

7. Das Ministerium distanziert sich ausdrücklich vom Vorschlag Grubes, dass die DB zumindest 1,1 Milliarden Euro Mehrkosten selbst trägt. Solche „Mitfinanzierungsangebote des Vorstands“ könnten zwar in die Verhandlungen mit den Projektpartnern zu den Mehrkosten einbezogen werden – aber nur unter dem Vorbehalt einer abschließenden Aufsichtsratsentscheidung“.

Im Fazit des Dossiers heißt es, dass der Aufsichtsrat derzeit keine abschließende Entscheidung zu Stuttgart 21 treffen könne. Dafür müsse erst eine belastbare und geprüfte Kostenberechnung des Projekts inklusive Risikovorsorge vorliegen, auf deren Basis eine neue Wirtschaftlichkeitsrechnung erstellt wird. Dabei müssten auch realistische Fälle der Weiterführung des Kopfbahnhofs und weitere Alternativen geprüft und schließlich mit den Projektpartnern die Sicherung der Gesamtfinanzierung geklärt werden.