Wird Stuttgart 21 „das teuerste öffentliche Gebäude in der Bundesrepublik“, wie ein Bahn-Aufsichtsrat am Dienstag gesagt hat? Oder kommt der Ausstieg? In der FDP geht die Tendenz offenbar Richtung Ausstieg. „Lieber weg mit Schaden“, sagte ein der FDP nahestehender Mitarbeiter der Bundesregierung zur StZ.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Steht der Bund weiter zu den milliardenteuren Bahnhofsplänen? Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) versuchte dieser Tage, Zweifel vom Tisch zu wischen: „Das ist Quatsch“, kommentierte er ein Papier aus dem eigenen Hause, welches die Wirtschaftlichkeit des Projektes in Frage stellt. Am Donnerstag legte der Minister nach: „Alle brauchen das Projekt“, sagte er bei einem Besuch in Wien. Er verwies auf den wirtschaftlichen Nutzen von Stuttgart 21 für die Region.

 

Allerdings scheint es mit der Begeisterung für Stuttgart 21 in der Bundesregierung nicht mehr weit her zu sein. Der Koalitionspartner FDP ist offenkundig dabei, nach einer Weiche zu suchen, die es ermöglicht, von dem Projekt Abstand zu nehmen. „Man kann doch nicht sagen: Stuttgart 21 forever – egal ob es zehn oder zwanzig Milliarden kostet“, sagt ein der FDP nahestehender Mitarbeiter der Bundesregierung. In liberalen Kreisen richte man sich auf einen Ausstieg ein. „Lieber weg mit Schaden“, so formuliert der FDP-Mann den neuen Kurs. Allerdings sei im Moment niemand daran interessiert, das offensiv zu propagieren. Schließlich haben die Freidemokraten das Projekt bisher bedingungslos unterstützt. Die in Berlin mitregierende FDP setzt offenbar darauf, dass auch Bundeskanzlerin Angela Merkel das Projekt nicht mit aller Macht weiterverfolgen wird, wenn die Kostenrisiken zu groß erscheinen. „Die Fakten haben sich schlichtweg geändert“, so die neue Lesart.

„Das teuerste öffentliche Gebäude in der BRD“

Ein von der Berliner Regierungskoalition entsandtes Mitglied des Bahn-Aufsichtsrates äußerte sich nach der jüngsten Sitzung des Kontrollgremiums am Dienstag betont skeptisch. Stuttgart 21 werde wohl „das teuerste öffentliche Gebäude in der Geschichte der Bundesrepublik“, sagte der schwarzgelbe Aufsichtsrat, „da wird man wohl noch mal nachdenken dürfen.“ Bei dem Tunnelbahnhof handle es sich „erkennbar um ein kaum noch wirtschaftliches Projekt“, so der Koalitionär. Wenn die Regierung S 21 weiter betreibe, dann werde es in Zukunft äußerst schwierig, Pläne mit vergleichbaren Kostenrisiken abzulehnen.

Vor der nächsten S-21-Krisensitzung des Bahn-Aufsichtsrates am 5. März muss sich die Koalition von CDU, CSU und FDP auf eine gemeinsame Strategie verständigen. Für den 28. Februar ist ohnehin ein Treffen der führenden Politiker der drei Regierungsparteien anberaumt. Die FDP würde aber offensichtlich den Schwarzen Peter gerne der Kanzlerin zuschieben. Sie solle entscheiden, welche Haltung der Verkehrsminister gegenüber der staatseigenen Bahn AG vertreten müsse. Angela Merkel sei „nicht von der Sorte, irgendetwas durchzusetzen, koste es, was es wolle, nur weil sie es mal so wollte“, sagt der FDP-Mann aus der Bundesregierung.

Merkel schweigt

Merkel hat sich bisher nicht selbst zu den jüngst bezifferten Mehrkosten in Milliardenhöhe geäußert. „Natürlich muss ein solches Projekt wirtschaftlich sein“, ließ sie ihren Regierungssprecher ausrichten, der ansonsten auf den Verkehrsminister verwies. Politisch kann sich die Kanzlerin einen Ausstieg kaum leisten – schon gar nicht vor der Bundestagswahl. Das Aus für Stuttgart 21 wäre auch eine ganz persönliche Niederlage für Angela Merkel. Sie hatte sich mit Verve für das Bahnhofsprojekt eingesetzt und Stuttgart 21 gewissermaßen zum Prüfstein für die Innovationsfähigkeit Deutschlands stilisiert. Im Vorfeld der letzten baden-württembergischen Landtagswahl sagte die CDU-Chefin bei einem Auftritt im Südwesten, es könne nicht sein, „dass wir große Infrastrukturprojekte in diesem Land nicht mehr hinbekommen“. Im September 2010 erklärte die Kanzlerin vor dem Bundestag, die Landtagswahl werde „eine Befragung der Bürger über das Projekt“ sein. Eines Volksentscheids bedürfe es nicht. Merkel käme in große Erklärungsnöte, wenn sie selbst nun einer Realisierung im Wege stehen würde – oder gar die Notbremse ziehen müsste. Eine solche Debatte erschiene ihr zu Beginn des Wahlkampfs äußerst ungelegen. Aus ihrer Warte spräche deshalb vieles dafür, die Entscheidung über den Weiterbau auf die Zeit nach der Wahl im September zu vertagen. Es kommt ihr entgegen, dass sich auch bei der Bundes-SPD Skepsis breitmacht.