Auf einer Sondersitzung hat die Kaktus-Initiative, eine Art Rebellen-Gruppe innerhalb der Industrie- und Handelskammer (IHK), gegen die positive Grundhaltung der Kammer zu Stuttgart 21 gestimmt. Insgesamt bleibt die IHK jedoch bei ihrer Haltung. Die Kritiker hoffen darauf, künftig die Mehrheit in der Kammer zu haben.

Stuttgart - Die Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart (IHK) bleibt bei ihrer Haltung zum Bahnprojekt Stuttgart 21. Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, ist inzwischen genau genommen keine mehr. Denn innerhalb der IHK hat sich eine Gruppe formiert, die sich Kaktus-Initiative nennt und die sich unter anderem kritisch zum umstrittenen Bahnprojekt äußert.

 

„Eine Alternative zu Stuttgart 21, die vergleichbare verkehrliche und städtebauliche Potenziale böte und in absehbarer Zeit zu realisieren wäre, gibt es nicht.“ Das ist die offizielle wirtschaftspolitische Position der Stuttgarter IHK. Am Dienstag dieser Woche stand diese Position auf der Kippe. Auf Antrag der Kaktus-Initiative wurde eine Sondersitzung einberufen. „Dabei ging es auch um die Haltung der IHK zu Stuttgart 21“, erklärt der Hauptgeschäftsführer Andreas Richter. Nach dem Willen der Initiative soll die Kammer ihre Haltung zu dem Milliardenprojekt neu bewerten, so Richter. „Hätte die Vollversammlung dem Antrag zugestimmt“, erklärt er, „dann hätte die alte Position keine Gültigkeit mehr gehabt.“

Kammerkritiker können Sondersitzungen einberufen lassen

Die Kammerkritiker haben in der IHK-Vollversammlung mittlerweile 22 von 108 Sitzen inne. Mit einem Fünftel der Stimmen können Sondersitzungen einberufen werden. „Wir haben uns 2012 zusammengeschlossen“, berichtet Clemens Morlok. Er ist Gründungsmitglied der Initiative und Geschäftsführer eines Call-Center-Unternehmens mit 35 Mitarbeitern in Ditzingen. Auslöser für die Rebellion innerhalb der Kammer war deren Position zu Stuttgart 21. „Die IHK hat das Projekt früh grundsätzlich unterstützt und behauptet, damit für die gesamte Wirtschaft zu sprechen“, sagt Morlok. „Ich bin auch ein Teil der Wirtschaft und ich bin gegen S 21.“

Eines der weiteren Anliegen der Kritiker ist die Abschaffung des Kammerzwangs. „Sobald jemand ein Gewerbe hat, ist er automatisch Mitglied der IHK“, sagt Morlok, „dafür gibt es aus meiner Sicht keinen Grund.“ Die Zugehörigkeit zur Kammer sei gesetzlich geregelt, erklärt er, fügt aber an: „Vielleicht hat die IHK einfach Angst vor Mitgliederschwund.“ Eine Beteiligung von rund zehn Prozent bei der vergangenen Wahl zur Vollversammlung spricht aus Sicht der Kritiker für wenig Interesse an der Kammer.

Forderung: Teile der hohen Rücklagen sollen ausgezahlt werden

„Die IHK wird von vielen Mitglieder nur als lästige Zahlpflicht und nicht als Sprachrohr verstanden“, sagt Morlok. Zudem hätten die großen Konzerne mehr Vorteile von der Kammer als kleinere. „Wenn Betriebe mit tausenden Beschäftigten ein Verlustjahr haben, dann zahlen die denselben Beitrag wie ich“, erklärt er. „Doch durch Prüfungen von Lehrlingen über die IHK haben die schlicht größere Vorteile von ihrer Mitgliedschaft.“ Zudem fordert die Initiative, die Kammer solle Teile ihrer rund 20 Millionen Euro an Rücklagen an ihre Mitglieder zurückzahlen. „Nicht einmal in Krisenjahren musste die Kammer dieses Geld antasten“, sagt Morlok.

IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Richter verweist darauf, dass die Höhe der Rücklagen stets von der Vollversammlung gebilligt wurde. „Die Gelder dienen dazu, Schwankungen der Kammerbeiträge je nach Wirtschaftslage ausgleichen zu können.“ In Bezug auf den Hauptbahnhof erklärt Richter: „Die IHK sieht Stuttgart 21 aus volkswirtschaftlicher Sicht. Virulente Themen wie den Brandschutz müssen hingegen die Experten bewerten.“

Bei der Wahl 2016 die Mehrheit im Visier

Die Abstimmung über den Kaktus-Antrag zu S 21 fiel nach Aussage von Andreas Richter recht eindeutig aus. „Die Mitglieder der Initiative haben aber selbstredend für den eigenen Antrag gestimmt“, berichtet er. „Ich habe jedoch nicht den Eindruck, dass sich die Stimmung innerhalb der IHK zu Stuttgart 21 grundsätzlich verschoben hat“, erklärt der Hauptgeschäftsführer weiter. Clemens Morlok sieht das anders: „Noch sind wir in der Minderheit. Doch 2016 wird erneut eine Vollversammlung gewählt – und da wollen wir die Mehrheit.“