Wenn es um Belange des Schienenverkehrs geht, führt am Eisenbahn-Bundesamt kein Weg vorbei. Das gilt auch für die Baumfällarbeiten im Schlossgarten.

Stuttgart - So stark ins Licht der Öffentlichkeit, wie in diesen Tagen und Wochen, gerät das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) nur selten. Denn meist arbeitet die Bonner Regierungsbehörde eher im Verborgenen, weitgehend unbeobachtet von einem breiten Publikum. Seit aber Stuttgart 21 die Stadt spaltet, wird mit Argusaugen beobachtet, welche Entscheidungen die Beamten am Rhein treffen. Und eines ist gewiss: ohne deren Zustimmung geht wenig bei dem umstrittenen Milliardenprojekt.

 

Die Deutsche Bahn (DB) und ihr Stuttgart 21 bescheren dem EBA jede Menge Arbeit. Viele heikle Prüfungen und Entscheidungen sind gefragt. Zum Beispiel: Unter welchen Voraussetzungen dürfen Teile des Stuttgarter Hauptbahnhofs abgerissen und auf dem bisherigen Gleisgelände neue Stadtviertel errichtet werden? Ist die geplante unterirdische Station ein gleichwertiger Ersatz und erfüllen Bahnsteige, Fluchtwege und Tunnelbauten die Anforderungen an einen sicheren Bahnverkehr? Und ganz aktuell: Werden bei den Baumfällungen im Stuttgarter Schlossgarten alle Belange des Natur- und Artenschutzes beachtet? Nach dem Stand der Dinge wird sich die Aufsichtsbehörde heute zu diesem Thema erklären. Und viel deutet daraufhin, dass das EBA sein Plazet geben wird – und damit einmal mehr der Kritik der Stuttgart-21-Gegner ausgesetzt wäre.

Tausend Mitarbeiter

Der Chef des Eisenbahn-Bundesamtes, Gerald Hörster, und seine gut tausend Mitarbeiter sind um ihre Aufgaben in mehrfacher Hinsicht nicht zu beneiden. Die Behörde arbeite viel zu langsam, monierte erst Anfang Januar Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), weil ihm die notwendigen Mitarbeiter fehlten. Kretschmann will sich nun nach eigenem Bekunden für eine bessere Ausstattung einsetzen. Dann ist allein die Klärung der komplexen Sach-, Haftungs- und Gesetzesfragen rund um Stuttgart 21 schwierig genug. Und hinzu kommt im speziellen Fall der politische Aspekt. Es drohen viele Einsprüche und Gerichtsverfahren, wie sie etwa der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in der Vergangenheit angestrengt und für die Zukunft angekündigt hat. Da ist besonders penible Prüfungsarbeit mit juristisch möglichst wasserdichten Ergebnissen erforderlich – bei einem Projekt, das schon jetzt erheblich unter Zeitverzug leidet.

Kurz: das EBA sitzt zwischen allen Stühlen. Den Stuttgart-21-Partnern mit der Bahn an der Spitze geht alles nicht schnell genug. Kritiker hingegen fragen sich, wie unabhängig das EBA eigentlich arbeitet. Schließlich ist die Bundesbehörde zwar selbstständig, unterliegt aber der Fach- und Rechtsaufsicht von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer. Der CSU-Mann ist ein Befürworter von Stuttgart 21. Hinzu kommt, dass der seit drei Jahren als Behördenleiter fungierende Hörster früher selbst im Ministerium gearbeitet hat.

In Stuttgart habe die Bahn jedenfalls viele Genehmigungen auffällig zügig bekommen, monieren S-21-Gegner. So hatte das EBA etwa per Sofortvollzug einen vom Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim verhängten Baustopp am Grundwassermanagement wieder rückgängig gemacht und damit zunächst die Fortsetzung der Arbeiten ermöglicht. Im Dezember hatte der VGH dann einer Klage des BUND stattgegeben und die vom EBA erteilte Genehmigung für rechtswidrig erklärt. Seither müssen die Arbeiten an der Anlage ruhen, bis ein artenschutzrechtliches Zusatzverfahren abgeschlossen ist.

Breites Aufgabenspektrum

Das Aufgabenspektrum der Behörde ist sehr breit. Unter anderem gibt es eine Finanzierungsabteilung, die über die Zuschüsse für neue Strecken und Sanierungen wacht. An anderer Stelle wird die Sicherheit der Bahninfrastruktur in der Republik überwacht bis hin zum Brandschutz in Tunnels. Das EBA ist Ansprechpartner in Lärmfragen – aber eben auch, wie bei Stuttgart 21, die zuständige Behörde bei den Planfeststellungsverfahren, also den eigentlichen Genehmigungsverfahren für jeden Bauabschnitt. Vergleichbar sind die Aufgaben – wenn auch auf anderer Ebene – mit jenen der Regierungspräsidien. Diese fungieren in allen Landesangelegenheiten als Aufsichtsbehörde und hängen ebenfalls unterhalb der Ministeriumsebenen. Auch die Regierungspräsidien sind nicht frei in ihren Entscheidungen, sondern zuständig für die Umsetzung der gesetzlichen Aufgaben und ausdrücklich auch der „landespolitischen Ziele“. Bei Stuttgart  21 arbeitet das EBA übrigens zur Unterstützung vor Ort mit dem Regierungspräsidium zusammen.

Beobachter beklagen immer wieder eine zu große Nähe des EBA zur DB. Als 1994 die Behörde gegründet und die Bundesbahn in eine AG umgewandelt wurde, kamen viele Ex-Bahner im Aufsichtsamt unter. Scharfe Kontrollen fallen daher womöglich schwer, heißt es. Auch die EU-Kommission in Brüssel dringt schon länger auf unabhängigere Kontrollinstanzen im Zuge der europaweiten Liberalisierung des Bahnverkehrs.