Nach dem Tunnelanstich zweier Stuttgart-21-Röhren hat die Bahn am Samstag zu einem Tag der offenen Baustellen eingeladen. Etwa 500 Besucher machten sich selbst ein Bild der Tunnelbaustelle im Nordbahnhofviertel.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Hans Jörg Knapp schaut in die 30 Meter tiefe Grube. Am Grunde der 35 auf 25 Meter umspannenden Ellipse stehen Bohrgeräte, die Wände sind mit dicken Betonpfählen gesichert. Ein Bauingenieur mit Sicherheitshelm und Leuchtweste erläutert dem 73-Jährigen den Stand der Dinge auf der Tunnelbaustelle hinter den Wagenhallen. Zwei gegenüberliegende Röhren sind von oben zu sehen. Das sind die Zugangsstollen zu den eigentlichen Haupttunnels der unterirdischen Verbindung zwischen dem künftigen Tiefbahnhof und Bad Cannstatt.

 

Hans Jörg Knapp ist beeindruckt von der Ausführung der Bohrpfahlwand. Auf der schwarzen Umhängetasche des Rentners aus Korntal ist ein abgewetzter Aufkleber gegen Stuttgart 21 zu sehen. „Das ist die Faszination der Technik“, erklärt Knapp, warum er hier ist. „Ich will wissen, was die heute alles können.“ An seiner ablehnenden Haltung zu dem Großprojekt ändert das nichts. „Stuttgart 21 ist verrückt“, sagt der 73-Jährige. Er sei ein alter Eisenbahner, habe bei der Bahn gelernt und später Stellwerke wie das in Stuttgart gebaut, erzählt Knapp. „Heute Mittag werde ich wieder Unterschriften sammeln für ein Volksbegehren gegen Stuttgart 21.“

Die Besucher sind über das Projekt schon gut informiert

Viele Projektgegner haben sich am Samstag nicht auf das Gelände beim Nordbahnhofviertel verloren, wo die Bahn zum ersten Mal in der Landeshauptstadt zu einem Tag der offenen Baustelle geladen hat. „Es ist nichts los“, sagt ein junger Mann in blauer Uniform auf die Frage, ob es Proteste gegeben habe. Er gehört zu den zahlreichen Sicherheitsleuten auf dem Areal.

„Schau mal Papa, hier fährt dann ein ICE durch“, sagt ein Junge vor einer großen Informationstafel, auf der die Bodenschichten des Baustellengrundes dargestellt sind. Er und sein Bruder sind mit Vater und Opa hier. Großvater Jürgen Groschen will von Bauingenieur Sven Kohlberger wissen, ob hier beim Tunnelbau gebohrt oder gesprengt wird. „Wir baggern“, sagt Kohlberg. Wo nötig, werde „zur Lockerung auch mal gesprengt“. Dann geht es darum, wie die Mineure im heiklen Gipskeuper vorgehen. „Das wird alles trocken gemacht“, sagt Kohlberger: „Damit hat man Erfahrung.“ Jürgen Groschen ist angetan von den Einblicken, die er ins Tunnelbauwesen erhält. Er stamme aus der Nähe von Mühlacker, erzählt der 72-Jährige auf die Frage, wie er zum Protest gegen Stuttgart 21 stehe. Er kenne das von der Strombergtrasse auf der Strecke Stuttgart-Mannheim, gegen die es auch Widerstand gab. „Heute sind alle froh, dass es sie gibt.“

Etwas mehr als 500 Interessierte sind gekommen

Es sind vor allem technisch Interessierte, die den Tag der offenen Baustelle nutzen, darunter nicht wenige Familien mit Kindern. Es sind keine Massen, die kommen, trotz des regnerischen Wetters seien es aber etwa 500 Besucher gewesen, schätzt die Bahn. „Die meisten Leute sind gut im Thema drin und stellen viele Detailfragen“, sagt Bauingenieur Sven Kohlberger. Nicht so Vladimir Jovic. Er wohnt erst seit zwei Tagen in Stuttgart und verschafft sich im Infomobil einen Überblick. Der 22-jährige Betriebswirt ist überrascht. „Ich kannte das Projekt aus dem Fernsehen und dachte, da geht es nur um einen Bahnhof. Aber das hat ja eine riesige Dimension.“