Bei der Übergabe von 20.000 Unterschriften gegen Stuttgart 21 an Fritz Kuhn macht der Oberbürgermeister auch deutlich, wo sich seine Sichtweise von jener der Projektgegner unterscheidet.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 unternehmen einen weiteren Versuch, die Stadt zum Ausstieg aus dem Vorhaben zu bewegen. Ein Bürgerentscheid soll dafür die Grundlage bilden. Der Weg zum Plebiszit führt über ein Bürgerbegehren. Die dafür notwendigen 20 000 Unterschriften von wahlberechtigten Stuttgartern haben am Mittwoch der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Conradi und der pensionierte Bahnhofsvorsteher Egon Hopfenzitz an OB Fritz Kuhn (Grüne) übergeben.

 

Für den Rathaus-Chef war es – noch anders als für seinen Amtsvorgänger 2007 – „eine Selbstverständlichkeit“, die in elf Aktenordnern zusammengetragenen Listen entgegenzunehmen. „Unterschriftensammlungen sind ein wichtiger Beitrag zur Bürgerbeteiligung“, sagte Kuhn. Er selbst habe in den langen Jahren seiner politischen Arbeit auch immer wieder Unterschriften gesammelt. Damit endeten aber auch schon die Nettigkeiten zwischen dem Hausherrn und den Antragstellern.

OB fühlt sich der Mehrheit verpflichtet

Zwar wollte sich Kuhn unter Hinweis auf das laufende Prüfverfahren nicht zur Zulässigkeit des Begehrens äußern, er riet den S-21-Gegner aber auch, „gewisse Fakten nicht einfach wegzureden“. Dazu gehört für Kuhn etwa, dass die Finanzierungsvereinbarung 2009 rechtsverbindlich geschlossen worden sei, dass es im Landtag und im Gemeinderat eine stabile Zweidrittelmehrheit gebe, die das Projekt unterstützt. Und nicht zuletzt habe die Volksabstimmung eine Mehrheit für das Projekt ergeben. Der fühle er sich verpflichtet. „Ein OB, dem Mehrheiten egal sind, ist nicht lange im Amt.“

Der Rechtsanwalt Eisenhart von Loeper, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, zog allerdings die Rechtmäßigkeit der Volksabstimmung in Frage. Die sei „auf der Basis schwerwiegender Unwahrheiten“ zustande gekommen und trage „wirtschaftskriminelle Züge strafbarer Untreue“. In dieser Einschätzung bezog er sich auf ein vom Aktionsbündnis in Auftrag gegebenes Gutachten des Bremer Professors für Strafrecht, Felix Herzog.

Conradi will Schaden von der Stadt abwenden

Für Peter Conradi ist spätestens seit Bekanntwerden der Kostensteigerung um 2,3 Milliarden Euro im Dezember 2012 eine geänderte Sachlage eingetreten, die die Kündigung des Finanzierungsvertrages rechtfertige. Setze die Bahn ihre Drohung in die Tat um, Mehrkosten von den übrigen Projektpartnern gerichtlich einzuklagen, könnten erhebliche Belastungen auf Stuttgart zukommen. „Es geht uns darum, Schaden von der Stadt abzuwenden“, sagte Conradi. Die von der Bahn gezogene Sprechklausel initiiere Gespräche zwischen Bahn und Land über die Verteilung von Mehrkosten. „Bei einer anders gearteten Landesregierung als der jetzigen sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, was bei solchen Gesprächen dann auch für die Stadt Stuttgart herauskommen kann.“ Vor einem Bürgerentscheid, der am Ende des nun in Gang gesetzten Verfahrens stehen soll, müssten die Kostenberechnungen und der Nachweis der Leistungsfähigkeit offengelegt werden. Dies solle im Lenkungskreis, dem auch Kuhn angehört, durchgesetzt werden, forderte Conradi.

Die Unterschriften sind bereits vom Statistischen Amt der Stadt auf ihre Gültigkeit und Vollständigkeit überprüft worden. Im ersten Anlauf fehlten noch 900 Unterschriften. Nun prüft die Verwaltung, ob das Bürgerbegehren nach der Gemeindeordnung rechtlich zulässig ist, und gibt eine entsprechende Empfehlung an den Gemeinderat. Wie lange das alles dauert, steht noch nicht endgültig fest. Die Prüfung solle allerdings „zügig erfolgen“, erklärte Andreas Scharf, Chef der Rathaus-Kommunikation.