Die DB Projektbau plant zwischen Pragsattel und Hauptbahnhof in Stuttgart zwei Entrauchungsgebäude. Das Problem: für eines gibt es keinen genehmigten Standort, gegen das andere protestieren die Lehrer des Schulzentrums Nord.

Stuttgart - Zu Stuttgart 21 gehört auch eine Infrastruktur, mit der bei einem Brand die Tunnels und der Tiefbahnhof mechanisch belüftet werden. Die DB Projektbau GmbH plant dafür große Entrauchungsbauwerke. Sie bestehen aus einem Lüfter- und Betriebsgebäude mit einem Abluftkamin, einem Lüftungsschacht sowie Lüftungsstollen, die von den beiden eingleisigen Tunnelröhren zum Lüftungsschacht führen. Zwischen Pragsattel und Hauptbahnhof sind zwei dieser Bauwerke vorgesehen – und beide machen derzeit Ärger und stoßen auf Widerstand bei Betroffenen.

 

Die Stadt hatte vor mehreren Jahren trotz erfolgter Planfeststellung einen alternativen Standort für das Bauwerk Killesberg gefordert, das den aus Richtung Feuerbach kommenden fünf Kilometer langen Pragtunnel im Ernstfall entrauchen sollte. Der Standort in der Seniorenwohnanlage Augustinum II erschien ungeeignet, auch weil die Stadt den Grundstückspreis um fast eine Million Euro hätte senken müssen. Vor einem Jahr hat der Gemeinderat den Beginn des Planänderungsverfahrens zustimmend zur Kenntnis genommen, obwohl sowohl das Umweltamt als auch die Branddirektion Bedenken gegen den neuen Vorschlag bei der Rettungsausfahrt am Zwischenangriff Prag (im Bereich Wartberg) anmeldeten. Nach Ansicht des Netzwerks Killesberg und Umgebung, eine Initiative von S-21-kritischen Hausbesitzern, ist der Standort zu weit vom Tiefbahnhof entfernt, um ihn zu entrauchen. Zudem befürchten die Anwohner die „riesige Dimension in der Größenordnung einer Sporthalle“ und einen Kamin, der dem eines größeren Kraftwerks entspreche.

Bürgerinitiative sieht Alternativstandort kritisch

Die Kritik ist angekommen: Das Eisenbahn-Bundesamt (Eba) teilte auf StZ-Anfrage mit, die Bahn habe im vergangenen Monat „ihren Antrag zurückgezogen, mit dem das ursprünglich geplante Entrauchungsbauwerk am Killesberg ersetzt werden sollte“. Ursache dafür sei „im Wesentlichen der Nachweis der Wirksamkeit der Entrauchung der Tunnel in der beantragten Weise“. Zwischenzeitlich seien die Bemessungsregeln für die Brandschutznachweisführung in Personenverkehrsanlagen aktualisiert worden. Man sei zu dem Ergebnis gekommen, „dass die 2007 beantragte Lösung nicht genehmigungsfähig ist“.

Das S-21-Kommunikationsbüro kündigte an, ihr Entrauchungskonzept wegen neu zu beachtender gesetzlicher Rahmenbedingungen nun zu überarbeiten. Ziel sei, den Anlagenbau beim Augustinum zu vermeiden. Die Überarbeitung habe keine Auswirkungen auf den Zeitplan. Die Bürgerinitiative schlägt vor, das Bauwerk nahe dem Nordkopf des neuen Tiefbahnhofs zu platzieren; dies könnte in der Jägerstraße sein. Der stellvertretende Vorsitzende Rudolf Röder verweist auf die Planung auf der Südseite: Dort sei nur ein Entrauchungsgebäude, und zwar in Bahnhofsnähe an der Willy-Brandt-Straße, vorgesehen.

Der Lehrkörper ist besorgt

Gegen die zweite Anlage, an der Heilbronner Straße, ganz in der Nähe des Schulzentrums Nord, wehren sich die Lehrer. Der örtliche Personalrat der Kaufmännischen Schule Nord äußert in Abstimmung mit den Kollegien der Neckar-Realschule und der Werner-Siemens-Schule in einer Resolution die Befürchtung, dass der Bau des Gebäudes ihre Arbeit beeinträchtige, weil die Anlage „nach Auskunft des Bauleiters als Belüftungsanlage genutzt“ werde. Im Ernstfall wären zwei Schulzentren von den austretenden Gasen und Rauch betroffen. Die Pädagogen befürchten auch, dass die geplante Sporthalle nicht gebaut werden könnte, weil die Bahn nachträgliche Überbauungen ihrer Tunnel nicht zuließen.

 

Die Grünen-Fraktion im Gemeinderat war überrascht, dass das Schulverwaltungsamt Anfang Juli in einer Informationsveranstaltung den vergangenen Montag als Baubeginn angegeben hatte. 6000 Kubikmeter Erdreich sollen ausgehoben, Bäume gerodet, Straßen und Wege verlegt sowie ein 40 Meter tiefer Schacht gegraben werden. Gleichwohl anerkennt sie, dass auch dieses Gebäude genehmigt sei. Es gehöre wie so vieles „zu den unangenehmen, verdrängten oder geleugneten Begleiterscheinungen des Milliardenprojekts, das von einer Zweidrittelmehrheit im Gemeinderat getragen wird“. Die Grünen wundert allerdings, „wie widerspruchslos und gerade überfallartig“ die zuständigen Ämter das Projekt vorantrieben und wie wenig über Alternativen – siehe Augustinum – nachgedacht worden sei.

Grüne wollen informiert werden

Sie wollen deshalb „unverzüglich“ über die genaue Lage des Bauwerks auf dem Schulgelände sowie über Dauer und Umfang des Baus informiert werden. Immerhin hielten sich dort regelmäßig 3700 Schüler auf. Weil die Neckar-Realschule durch ihren Umzug an die Heilbronner Straße nun vom Regen in die Traufe komme, will Fraktionschef Peter Pätzold geklärt haben, ob und wann der Gemeinderat über die Nachteile informiert worden sei.