Unter dem Kriegsberg beseitigen die Mineure symbolisch einen letzten Rest Gestein. Unter den geladenen Gästen war auch OB Fritz Kuhn, der bekannte: „Das Projekt tut der Stadt gut“. Gegner sprechen hingegen von einem Ablenkungsmanöver.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Ein erstes Tunnelteilstück von Stuttgart 21 hat die Innenstadt erreicht. Am frühen Montagabend haben Mineure eine letzte Schicht Gestein aus dem Weg geräumt. Die Röhre, in der einmal Züge vom Durchgangsbahnhof nach Bad Cannstatt rollen sollen, ist nun bis zu einer Baugrube an der Ehmannstraße vollständig vorangetrieben. Knapp zweieinhalb Kilometer haben sich die Tunnelbauer in 33 Monaten durch den Stuttgarter Untergrund – teilweise auch durch die bei Tunnelbauern besonders gefürchteten Formationen des Anhydrit – gearbeitet. Der Durchbruch erfolgte im Berg unterhalb der Kreuzung Birkenwald/Panoramastraße.

 

Bahnchef Rüdiger Grube bekannte sich auf der Baustelle abermals zum Projekt, nachdem er zuletzt von dem Vorhaben abzurücken schien. Der Tunneldurchschlag sei für ihn „ein emotionaler Höhepunkt beim Projekt Stuttgart 21“. Alle Projektpartner würden mittlerweile an einem Strang und dann auch noch in dieselbe Richtung ziehen. „Und das ist die Richtung Zukunft“, so Grube.

OB Kuhn will trotz der juristischen Streitereien „das Bauen nicht vergessen“

Das ist ganz im Sinne von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne), der es sich trotz engem Terminkalender nicht nehmen ließ, bei der Feier zu sprechen. Eine Mehrheit im Gemeinderat und der OB seien der Überzeugung, „dass das Projekt der Stadt gut tut“. Nun müsse man alles daran setzen, die Belastung für die Anwohner durch die Baustellen so gering wie möglich zu halten. Kuhn ging auch auf die angekündigte Klage der Bahn ein, mit der sie die Projektpartner aus Stadt, Land, Region und vom Flughafen dazu bringen möchte, sich an den Mehrkosten von zwei Milliarden Euro zu beteiligen. „Da gibt es ein Problem, und da müssen wir auch nicht drumherum reden“, befand der Rathauschef, verband dies aber gleich mit einem Appell an die Bahn. „Lassen Sie uns über alle juristischen Streitereien das Bauen nicht vergessen. Wenn hinter jedem Bagger zwei Juristen stehen, dann wird das nichts mit der Inbetriebnahme 2021“, prognostizierte Kuhn. Man dürfe sich nicht in den Gräben der Vergangenheit oder den neu gebauten Tunnel verstecken. Der Stuttgarter Untergrund böte Tücken. Dass die beherrschbar seien, zeige der S-Bahntunnel. Anleihen nahm er beim Soziologen Niklas Luhmann, wonach aus einem Risiko erst dann eine Gefahr werde, wenn das Risiko nicht durch eigenes Zutun beherrschbar sei.

Der Tunneldurchschlag sei ein Mosaik- und ein Meilenstein gleichermaßen, sagte der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister des Landes, Thomas Strobl (CDU). Ein Mosaikstein, weil noch so unendlich viele Arbeitsschritte zu folgen hätten, und ein Meilenstein, weil „der Durchschlag beweist, dass allen Unkenrufen zum Trotz die Mutigen und Tatkräftigen die Oberhand behielten und nicht die Zweifler und Miesepeter“.

Projektgegner monieren „Heile-Welt-Show“ der Deutschen Bahn

Norbert Barthle, CDU-Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd und parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium lobte den Baufortschritt. Mit Blick auf den vergleichbaren Anlass beim Albabstiegstunnel in Ulm, an dem er teilgenommen hatte, sagte Barthle: „Tunneldurchschläge im Monatsrhythmus sind auch für unser Ministerium etwas Besonderes“.

Markige Worten kamen am Montag jedoch vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21. Dessen Sprecher geißelte die „Heile-Welt-Show der Deutschen Bahn“. Statt eine „Blendgranate nach der anderen zu zünden, sollte die Deutsche Bahn AG lieber endlich aufrichtig über die nicht mehr unter dem Teppich zu haltenden Probleme des Projekts informieren“.

Zum Weiterbau nach Bad Cannstatt fehlen Genehmigungen

Mit dem Durchschlag am Kriegsberg sind die Mineure zwar am Hauptbahnhof angekommen. Wie es weiter in Richtung Bad Cannstatt geht, ist allerdings noch nicht sicher. An der Ehmannstraße muss die Bahn die Baumethode ändern, um Bäume nicht fällen zu müssen, in denen geschützte Arten leben. Die Genehmigung durch das Eisenbahn-Bundesamt (Eba) steht weiterhin aus. Wann der Beschluss ergeht, kann man bei der Bonner Behörde nicht sagen. Es fehlten noch Antworten der Bahn zur Tunnelgestaltung, erklärt eine Eba-Sprecherin auf Anfrage. Wenn diese beantwortet seien, könnte „das Eba die Entscheidung kurzfristig erarbeiten“. Damit wäre aber der Weg nach Bad Cannstatt immer noch nicht frei. Wo der Tunnel bei Schloss Rosenstein ans Tageslicht kommt, stehen sechs Bäume, in denen Juchtenkäfer vermutet werden. Um diese fällen zu können, benötigt die Bahn das Plazet der Europäischen Union – Verfahrensdauer unbekannt.

Dass sich die Tunnelbauer trotz dieser Widrigkeiten und der schweren Arbeit unverdrossen durch den Berg arbeiten, nötigte Tunnelpatin Simone Herrmann Respekt ab. Die Gattin von Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU) konstatierte: „Von Euch Mineuren geht eine positive Energie aus, die dem ganzen Projekt gut tut.“