Dieter Reicherter ist empört über die Stuttgarter Staatsanwaltschaft: Die Rechner des früheren Richters sind beschlagnahmt worden. Hintergrund sind Ermittlungen gegen Stuttgart-21-Gegner.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Dieter Reicherter hat seine Computer neu eingerichtet. Der Grund für diesen Aufwand ist, dass die Staatsanwaltschaft die Rechner des pensionierten Richters vor zwei Wochen bei einer Durchsuchung beschlagnahmt hatte. Da er diese Maßnahme für fragwürdig hält, ist Reicherter misstrauisch, ob nicht gar sein Rechner nun ausgespäht werden soll. Beweise hat er nicht, Befürchtungen wohl.

 

Die Staatsanwaltschaft hatte das Haus des ehemaligen Kollegen durchsuchen lassen, weil er auf der Stuttgart-21-Gegner-Seite www.bei-abriss-aufstand.de einen Beitrag über die Beobachtung des Demonstrationsgeschehens von Gegnern wie Befürwortern des umstrittenen Bahnhofsbaus veröffentlicht hatte. Die Ermittlungen richten sich nicht gegen Reicherter, sondern gegen jemanden, vermutlich in den Reihen der Sicherheitsbehörden, der Dienstgeheimnisse verraten haben soll. In dem Beitrag zitierte er aus einem Rahmenbefehl des Innenministeriums Baden-Württemberg, demzufolge die Behörden ein „Gefährdungslagebild“ der Proteste rund um Stuttgart 21 erstellen sollten. Reicherter wurden offenbar auch Beispiele für die Einschätzung zugespielt. Demnach waren ein Parkgebet der Gegner und eine Sportdemo der Befürworter gleich einzuschätzen wie die Demo mit 10 000 Teilnehmern auf dem Schlossplatz zum Jahrestag des „schwarzen Donnerstags“: „Stufe fünf.“

Durchsuchung während eines Auslandsaufenthalts

Dieter Reicherter, der sich seit dem umstrittenen Polizeieinsatz am 30. September 2010 um das Thema Justiz und Stuttgart 21 kümmert, ist sauer. Zum einen, weil die Durchsuchung stattgefunden habe, als er im Ausland war. „In meiner Dienstzeit habe ich Tausende Durchsuchungen angeordnet. Wenn niemand da war, ist man wieder gegangen und kam an einem anderen Tag.“ Zum anderen, weil er den Eindruck hat, es sei nicht allein um die Geheimnisverräter, sondern auch um Unterlagen von S-21-Gegnern gegangen, die er nach dem 30. September betreut hatte.

Die Staatsanwaltschaft verteidigt ihr Vorgehen. „Es ist nicht üblich, dass man sich vorher ankündigt – die Gefahr ist zu groß, dass dann die Beweismaterialien verschwinden. Außerdem haben wir nicht gewusst, dass Herr Reicherter verreist ist“, sagt Claudia Krauth, die Sprecherin der Behörde. „Den Vorwurf, wir hätten gewartet, bis er weg ist, weisen wir zurück.“ Außerdem habe man Dieter Reicherter im Ausland erreicht und informiert. Die Festplatten zweier Rechner seien gespiegelt und unverändert zurückgegeben worden.

Reicherter glaubt nicht, dass bei der Durchsuchung alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Er hat eine ausführliche Beschwerde an das Amtsgericht geschickt.