Unter dem Wohngebiet Kernerviertel kommt die Bahn beim Tunnelbau den Kellern der Häuser ganz nah. Zur Sicherheit setzt sie auf Betoninjektionen, eine Stahlabschirmung und dicke Wände.

Stuttgart - „Das ist die schönste Stelle in Stuttgart“, sagt Günter Osthoff, und deutet im Staub der Baumaschinen an die Tunneldecke. Weil sie den Weinkellern der Häuser im Kernerviertel so nah ist? „Nein“, kontert der erfahrene Bauingenieur die Frage mit einem zufriedenen Schmunzeln: „Weil wir sehen, dass der Vortrieb wie geplant funktioniert.“

 

Die letzten paar Hundert Meter des Fildertunnels in Richtung Tiefbahnhof gehören zu den kritischsten Abschnitten bei Stuttgart 21. Imposante 20 Meter breit und 18 Meter hoch sind die beiden Röhren, die hier im Übergang zum Talkessel je zwei Gleise aufnehmen werden. Dicke 50 bis 60 Zentimeter Spritzbeton und Stahl sichern die Arbeiter. Damit die Häuser im Kernerviertel nicht absacken, wurden sie mit einer untergepumpten Betonsuspension um Millimeter angehoben. Bei einem Anbau ging das schief, er bekam Risse, der Abriss war unvermeidbar.

Großer Aufwand zur Sicherung der Häuser

Der Aufwand zur Sicherung des Wohngebiets ist groß. Im Tunnel wird ein doppelter Schirm aus 17 Millimeter starken Stahlrohren, die sich auf acht Meter überlappen, ins Gestein getrieben. Auf der Gegenseite, vom Hauptbahnhof aus, stecken lange Anker im Hang. Diese gewählte Art des Vortriebs „kostet mehr, aber sie geht schneller“, sagt Osthoff, der auch für die Röhren nach Unter- und Obertürkheim verantwortlich zeichnet.

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Im 9,5 Kilometer langen Fildertunnel Richtung Flughafen wird bis Ende 2020 ein Großteil des Innenausbaus fertig sein, informiert Teamleiter Thomas Berner. Der 42-Jährige kommt aus Böblingen, mit Osthoff (64) hat er schon im Leipziger Citytunnel gearbeitet – man kennt und schätzt sich. In der 12. Klasse habe er erstmals von Stuttgart 21 gehört, sagt Berner. Der Schienenausbau sei eine absolute Notwendigkeit, denn „die Mobilität wird ja eher noch zunehmen“, sagt der Ingenieur.

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Osthoff kommt aus dem Münsterland, er schätzt Stuttgart, fährt nicht jedes Wochenende nach Hause. „Es ist eine sehr schöne Gegend hier, mit gutem Wein und gutem Wetter. Meist pendelt meine Frau, wir wollen das Schöne auch kennenlernen“, so der Vater dreier erwachsener Kinder. Osthoff war berufsbedingt im Irak und den Niederlanden. In Stuttgart endet seine berufliche Laufbahn. „Ab Sommer bin ich überflüssig, bis dahin sind wir auch in Untertürkheim durch und in Obertürkheim auf den letzten Metern.“