Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 fordert einen sofortigen Baustopp für das Projekt. Durch die Kostenexplosion sei die rechtliche Grundlage für den Bau des Tiefbahnhofs entfallen, sagen sie – und wollen notfalls auch den Aufsichtsrat der Bahn verklagen.

Stuttgart - Die im Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 zusammengeschlossenen Projektgegner sehen nach der Kostenexplosion für den geplanten Tiefbahnhof die bestehende Finanzierungsvereinbarung als ungültig an und fordern einen sofortigen Stopp aller Bauarbeiten. Dafür wollen sie am kommenden Samstag auf dem Schlossplatz demonstrieren. „Der Vertrag hat ausgedient. Das Endspiel um Stuttgart 21 ist aus Rechtsgründen abgelaufen“, erklärte der Sprecher des Aktionsbündnisses, Eisenhart von Loeper.

 

Da Bahn-Technikvorstand Volker Kefer mit seinem Versuch gescheitert sei, die Projektpartner Land und Stadt an der Mitfinanzierung der Mehrkosten von bis zu 2,3 Milliarden Euro zu beteiligen, sei die Vertragsbasis entfallen, das Ziel des Vertrages sei unerfüllbar geworden, argumentiert der Jurist von Loeper. Die Finanzierungsvereinbarung aus dem Jahr 2009 sah bekanntlich einen Kostenrahmen von 4,5 Milliarden Euro vor. Mittlerweile kalkuliert der Schienenkonzern mit Kosten von bis zu 6,8 Milliarden Euro.Von Loeper warnte die Bahn davor, angesichts der fehlenden Finanzierung einfach weiter zu bauen. Jede weitere Bauausführung sei „ungerechtfertigt und rechtswidrig“. Ein Bautorso mitten in der Stadt sei nicht nur für Projektgegner ein „Horrorszenario“, sagte von Loeper.

Auch die Einflussnahme auf die Fortsetzung der Bautätigkeit aus politischem Kalkül – etwa durch die Bundeskanzlerin – sei mangels einer wirtschaftlichen Basis mit dem Aktienrecht unvereinbar. Wer sich über die neue Rechtslage hinwegsetzte, der verletze „die Pflicht zur Betreuung fremder Vermögensinteressen“ und müsse mit Strafanzeigen wegen des Vorwurfs der Untreue rechnen, so Loeper weiter.

Juristen drohen mit Anzeigen gegen den Aufsichtsrat

Er kündigte an, gegebenenfalls mit anderen Juristen auch gegen den Aufsichtsrat der Bahn Klage anzustrengen, falls dieser trotz der neuen Sachlage dem Weiterbau des „unwirtschaftlichen Projekts“ seinen Segen geben sollte. Das Aufsichtsgremium tagt am 5. März. Gemeinsam mit dem ehemaligen Strafrichter Dieter Reicherter hatte von Loeper kürzlich die Bahnvorstände Rüdiger Grube und Volker Kefer bei der Berliner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue angezeigt. Begründung: beide hätten wider besseres Wissens den Aufsichtsrat nicht rechtzeitig über die Kostenexplosion bei S 21 informiert und zudem ohne Rechtsgrundlage Bauaufträge erteilt.

Von Loepers Co-Sprecherin, die Grünen-Stadträtin Clarissa Seitz, erachtet die Forderung der Bahn als „dreist“, auch über die jetzt genannte Kostenobergrenze hinaus weitere Mehrkosten auf die Projektpartner aufteilen zu wollen. Stuttgart sei über direkte und indirekte Beteiligungen an der Finanzierung des „eigenwirtschaftlichen Projekts“ der Bahn bereits mit rund einer Milliarde Euro im Boot.

Projektpartner sollen der Bahn entgegenkommen

Zum Kauf der Gleisflächen von der Bahn im Wert von 459 Millionen Euro kämen Zinsen hinzu, die Wolfgang Schuster und die Gemeinderatsmehrheit dem Konzern erlassen haben, um den Bau von S 21 nicht zu gefährden. Außerdem müssten etwa die Kosten für den Ankauf des Mineralbads Berg sowie die Verlegung des Zentralen Omnibusbahnhofs vom Schlossgarten an den Flughafen eingerechnet werden.Seitz befürchtet zudem, dass die 2,3 Milliarden Euro Mehrkosten noch nicht das Ende der Fahnenstange sind: „Das wird ein Fass ohne Boden.“ Projektbefürworter, die bei einem Aus für den Tiefbahnhof einen Jahrzehnte währenden Stillstand heraufbeschwören, würden „einen reinen Popanz aufbauen“, so Seitz. Im Gegenteil: wenn Stuttgart 21 trotz der ungelösten Finanzierungsprobleme gebaut würde, werde es einen jahrelangen Stillstand und Behinderungen durch die Bauarbeiten in der Innenstadt geben. Seitz gab außerdem zu bedenken, dass der Kopfbahnhof , der während der Bauphase von S 21 bestehen bleibe, möglicherweise parallel zum Bau des Tiefbahnhofs aufwendig saniert werden müsse. Angesichts dieser Ausgangslage schlugen die S-21-Kritiker auch versöhnliche Töne gegenüber der Bahn an. So nannte es von Loeper „fair“, wenn Land und Stadt bei einem Projektabbruch auf die Rückzahlung ihrer bereits überwiesenen Finanzierungsbeiträge verzichten würden.

Demonstration
Am Samstag, 23. Februar, beginnt um 13.30 Uhr eine Kundgebung auf dem Schlossplatz.