Die Stuttgart-21-Gegner machen im Rahmen des Kirchentags auf ihr Anliegen aufmerksam – beim Parkgebet mit Bärbel Wartenberg-Potter, Bischöfin im Ruhestand, und mit Diskussionsrunden.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Man kennt sie kämpferisch, mitunter auch wütend, wenn die Stuttgart-21-Gegner durch die Straßen ziehen und gegen das Milliardenprojekt demonstrieren. Wenn Kirchentag ist in der Stadt, dann klingt es ein wenig anders. Die Gegner stellen ihr eigenes Programm auf die Beine. Sie diskutieren, sie beten und singen – für die Natur, für ihren geliebten Park, aber auch für jene, die ihrer Meinung nach einen gewaltigen Fehler gemacht haben, nämlich S 21 zu planen.

 

„Die Argumente sind ausgetauscht, die Abstimmung ist gelaufen. Das Beten geht weiter“, sagt Bärbel Wartenberg-Potter, Bischöfin im Ruhestand, beim Parkgebet am Donnerstagabend. Gegenüber der Lusthausruine stehen rund 100 Projektgegner zusammen. Im Schatten der Bäume hören sie, was die Theologin sagt. Beten bezeichnet sie als Denken vor Gott und betet vor: „Wir beten für alle Verantwortlichen, die folgenschwere Fehler begangen haben, dass sie diese eingestehen.“ Doch nicht allein den Entscheidern soll das Gebet helfen. Es geht noch weiter. Auch für die Kritiker und Gegner wird gebetet: Sie sollen es schaffen, das Eingeständnis der Fehler als menschliche Größe anzunehmen. Ein Detail darf beim Gebetsanliegen Natur nicht fehlen: der Juchtenkäfer, sozusagen der Promi der Fauna und Flora im Schlossgarten. Das Gebet ist eine regelmäßige Veranstaltung, nicht nur wenn Kirchentag ist. Das „Team der ChristInnen gegen Stuttgart 21“ lädt dazu an jedem Donnerstag um 18.15 Uhr ein.

Politischer als im Park geht es am Freitagnachmittag zu. Schienen laufen passenderweise quer durch den Veranstaltungsraum, denn man trifft sich in der Straßenbahnwelt in Bad Cannstatt. Auf dem Podium diskutieren unter anderem in der Bewegung bekannte Figuren: Brigitte Dahlbender, die ehemalige Sprecherin des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, der pensionierte Richter Dieter Reicherter und der frühere Leiter des Stuttgarter Stadtplanungsamtes, Uwe Stuckenbrock. „Aus Stuttgart 21 klug werden“ ist der Nachmittag überschrieben. Einig sind sich die Diskutanten in einem Punkt: So, wie es bei der Planung und dem Baubeginn von Stuttgart 21 gelaufen ist, darf es nicht wieder geschehen bei Großprojekten – und bei S21 sollte es eigentlich so auch nicht weitergehen. „Ich würde mir wünschen, dass Wirtschaft und Politik die Bürger frühzeitig einbinden – und nicht als lästig empfinden“, sagt Dahlbender. Stuckenbrock findet, es müssten „Gesetze geschaffen werden, die vorschreiben, die Bürger einzubinden, nicht nur die Grundstückseigentümer“. Für Dieter Reicherter läuft nach wie vor vieles falsch – etwa die Aufarbeitung des „schwarzen Donnerstags“.

In einem Vortrag vergleicht der Berliner Soziologe Dieter Rucht Stuttgart 21 mit anderen Großprojekten. Er beobachte, dass sie früher ohne Widerstand gebaut worden seien. Manchmal könnte man den Eindruck haben, sie würden nur fertiggestellt, um das Gesicht zu wahren. „So wirkt es auf mich bei Stuttgart 21 auch.“