Am Abend protestieren 2000 Menschen friedlich gegen die Baumrodungen. Zielscheibe ihrer Kritik war vor allem Ministerpräsident Kretschmann.

Stuttgart - Vor Beginn des Polizeieinsatzes haben Parkschützer und das Aktionsbündnis am Dienstag Abend noch einmal gegen die Baumrodungen für Stuttgart 21 demonstriert. Rund um das Camp der Parkschützer sind Kerzen aufgestellt worden, die Atmosphäre war friedlich. Knapp 2000 Menschen, die zuvor in Sternmärschen zum Park gepilgert waren, nahmen dann von 20 Uhr an an einer Kundgebung auf der Schillerstraße teil. Dabei kritisierte unter anderem der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, der SÖS- Stadtrat Hannes Rockenbauch, die grün-rote Landesregierung. An die Adresse von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gewandt, sagte er: „Wenn man an der Regierung ist, dann muss man regieren und darf sich nicht am Nasenring durch die Manege führen lassen.“ Grün-Rot habe jede Glaubwürdigkeit verspielt. Der Regierungschef hatte zuvor die Projektgegner ermahnt, bei ihrem Protest „friedlich und zivilisiert“ zu bleiben.

 

Die Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Brigitte Dahlbender, rief den Demonstranten zu, die Abholzung der Bäume geschehe „wider besseren Wissens und bar jedes historischen Bewusstseins.“ Viele Demonstranten hatten sich offenbar auf eine lange Nacht im Schlossgarten eingerichtet und campierten nach Ende der Kundgebung auf Isomatten und in Isolierdecken gehüllt in der Nähe der Bäume. Die Polizei hatte unterdessen erste Einsatzkräfte entlang der Schillerstraße zusammengezogen, zeigte aber zunächst nur zurückhaltende Präsenz. Zur Mittagszeit waren die Parkschützer in ihren Zelten und Baumhäusern erstmals aufgeschreckt worden, als Einsatzkräfte der Feuerwehr und Polizei mit schwerem Gerät und Blaulicht vorfuhren. Offenbar sollte bei dem Abstecher aber nur ein Teil jener Beamten, die aus anderen Bundesländern nach Stuttgart beordert wurden, Gelegenheit zur Besichtigung des Geländes erhalten.

Stocker und Rockenbauch haben einen Eilantrag eingereicht

In den Baumhäusern und auf den im Geäst eingerichteten Plattformen bereiteten sich Aktivisten von Robin Wood auf die Polizeiaktion in der Nacht vor, deren Ziel es ist, das Baufeld zu räumen, auf dem anschließend die Grube für den Tiefbahnhof gegraben werden soll. Kei Andrews, Sprecherin von Robin Wood in Stuttgart, kündigte an, dass ihre Aktivisten die Baumhäuser nicht freiwillig verlassen würden: „Wir gehen erst, wenn Stuttgart 21 gestoppt wird, vorher werden wir gewaltfreien zivilen Ungehorsam leisten.“ Andrews wies darauf hin, dass es sich bei den Baumhausbesetzern um ausbildete Kletterer handle: „Wir schauen zuerst auf die Sicherheit unserer Leute“.

Am Nachmittag hatten die Parkschützer erste Absperrmaßnahmen der Polizei gemeldet: auf der Straße am Schlossgarten, bei der Einfahrt zum Café Nil und an der Zufahrt zum Landespavillon. Ein Hubschrauber kreiste über dem Gelände. Die SÖS-Stadträte Gangolf Stocker und Hannes Rockenbauch hatten am Nachmittag noch einmal beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim einen Eilantrag mit dem Ziel eingereicht, die Baumfällungen auszusetzen.

Wirbel gab es um eine Durchsuchung bei den Parkschützern

Die Polizei kündigte an, die Barrikaden rund um das Zeltdorf notfalls mit schwerem Gerät zu entfernen. Angesichts einer möglichen Konfrontation zwischen Tausenden von Polizisten und den Demonstranten hatte der Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bereits zu Wochenbeginn die Gegner des Bahnprojekts zur Mäßigung aufgerufen. „Man muss mal ein bisschen abrüsten“, so der Grünen-Politiker, selbst ein erklärter Stuttgart-21-Gegner. Zuvor hatten die Parkschützer die bevorstehende Rodung der Bäume im Schlossgarten als „Kriegserklärung“ bezeichnet.

Wirbel gab es um eine Durchsuchung von Büroräumen der Parkschützer – Polizisten stellten dabei am Montag mehrere Benzinkanister mit einer noch unbekannten Flüssigkeit sicher. Die Ermittler prüfen nun, ob die Kanister einem 19-Jährigen gehören, der bis Donnerstag in Gewahrsam genommen wurde. Er wird verdächtigt, sich an der Herstellung von Molotowcocktails beteiligt zu haben. Die Parkschützer kritisierten die Durchsuchung: Die Kanister seien für den Betrieb des Notstromaggregats der Demosanitäter gedacht.

Um Schlichtung bemühte sich derweil der frühere Stuttgarter Prälat Martin Klumpp. Der Theologe schlug vor, dass vor einer Räumung des Geländes mit großem Polizeiaufwand darüber verhandelt wird, ob die Parkschützer das Gelände freiwillig gegen die Zusage der Bahn verlassen, dass der Park bis zum Herbst so bleibt und von der Bevölkerung genutzt werden kann. Dies könne deeskalierend wirken. Die Bahn wollte den Vorstoß nicht kommentieren. Stuttgarts OB Wolfgang Schuster appellierte ebenfalls an die Gegner des Bahnprojekts, friedlich zu bleiben.