Unmittelbar vor der Präsentation des Stresstests zum Bahnprojekt Stuttgart 21 hat Heiner Geißler den Druck auf die Bahn deutlich erhöht.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Unmittelbar vor der Präsentation des Stresstests zum umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21 am Freitag hat der Schlichter Heiner Geißler den Druck auf die Bahn deutlich erhöht. In einem Interview mit "Spiegel-Online" sagte der CDU-Politiker, der geplante Tiefbahnhof müsse so gut sein, dass er "mögliche Verspätungen abbauen kann". Sollte sich herausstellen, "dass die sogenannte Premiumqualität bei Stuttgart 21 nicht gegeben ist, muss die Bahn sich am Freitag verpflichten, das herzustellen".

 

Damit reagiert Geißler auf einen Streit um Begrifflichkeiten, den er selbst zu einem wesentlichen Teil verursacht hat. In seinem Schlichterspruch vom 30.November 2011 hatte er verkündet, dass die Bahn einen Fahrplan für den Tiefbahnhof erstellen müsse, der beweist, dass "30 Prozent Leistungszuwachs in der Spitzenstunde mit guter Betriebsqualität möglich" seien.

Erst später hatte sich herausgestellt, dass es den technischen Begriff "gute Betriebsqualität" im Regelwerk der Bahn bereits seit Ende 2007 nicht mehr gibt. Stattdessen ordnet der Staatskonzern die Betriebsqualität in vier Kategorien ein: "Premium", "wirtschaftlich optimal", "risikobehaftet" und "mangelhaft".

Ein leichter Verspätungsabbau

Nur wenn ein Fahrplan Verspätungen abbauen kann, bekommt er das Prädikat "Premium". Stuttgart21 erhält von der Schweizer Verkehrsgutachtergesellschaft SMA jedoch das Siegel "wirtschaftlich optimal". Dies bedeutet, dass es zumindest keinen Verspätungsaufbau geben darf. In der Summe bescheinigt SMA dem Tiefbahnhof einen leichten Verspätungsabbau.

Dies reicht dem Schlichter nun offenbar nicht mehr aus. Obwohl Geißler betont, dass die Bahn mit dem Stresstest das Ziel erreicht habe, könne sie nun nicht sagen: "Wir bauen einen Bahnhof, der es aber nicht schafft, Verspätungen abzubauen." Die Bahn reagierte zurückhaltend auf die Aussagen Geißlers. "Ich bin überrascht", sagte der S-21-Projektsprecher Wolfgang Dietrich. Inhaltlich wolle er die Äußerungen des Schlichters nicht kommentieren. Auch aus dem Staatsministerium gab es keine offizielle Reaktion. Zustimmung kam dagegen aus dem Verkehrsministerium. "Geißler hat recht", sagte Minister Winfried Hermann (Grüne). "Ein Bahnhof, der mehr als Premium kostet, muss für die Fahrgäste auch mindestens Premiumqualität bieten."