Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Während Ministerpräsident Kretschmann und die Mehrheit im Landtag, im Stuttgarter Gemeinderat und in der Regionalversammlung unumwunden zur Bindung des Votums der S-21-Volksabstimmung stehen, zweifeln zumindest zwei namhafte Grünen-Politiker diese Bindung an: Verkehrsminister Winfried Hermann und Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Beide haben gegenüber der Stuttgarter Zeitung betont, dass die Legitimation des Volksentscheids in Anbetracht der von der Bahn eingeräumten Kostenexplosion „zunehmend zerbröselt“.

 

Noch weiter geht der Rechtswissenschaftler Joachim Wieland, der an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer lehrt und einer der Väter der Volksabstimmung ist. Wieland sagt, dass das Bürgervotum nicht mehr verbindlich sei. Der Grund: das Volk habe den Ausstieg aus dem Finanzierungsvertrag seinerzeit unter der Prämisse abgelehnt, dass die gesamten Baukosten den gesetzten Deckel von 4,526 Milliarden Euro nicht überschritten. Nachdem die Bahn nun aber Mehrkosten von 1,1 Milliarden Euro und weitere Risiken von bis zu 1,2 Milliarden Euro eingeräumt habe, sei die Grundlage der Abstimmung nicht mehr existent. Damit sei auch ein Ausstieg aus Stuttgart 21 möglich.

Bahn hat die Grundlagen der Volksabstimmung „einseitig verletzt“

Das sehen die S-21-Gegner Walter Sittler, Volker Lösch, Sabine Leidig und Egon Hopfenzitz genauso. In seiner Antwort auf das Schreiben von Ministerpräsident Kretschmann (siehe nebenstehenden „Pro“-Text) argumentiert das Quartett, dass die Bahn die Grundlagen der Volksabstimmung „einseitig verletzt“ habe. Wenn die Bahn „ein Jahr nach Abhalten der Volksabstimmung und noch vor dem eigentlichen Baubeginn mitteilt, der Kostendeckel werde um bis zu zwei Milliarden Euro gesprengt, dann ist doch sie es, die eine Legitimierung des S-21-Projekts durch die Volksabstimmung torpediert“. Dass die Kostenbeteiligung des Landes in den bestehenden Verträgen zwischen den Projektpartnern auf 930 Millionen Euro gedeckelt ist, habe „nichts mit der Frage zu tun, ob die Volksabstimmung weiterhin als bindend angesehen wird“. Schließlich sei auch der Kostendeckel des gesamten Projekts in der Finanzierungsvereinbarung festgeschrieben gewesen.

Was aber geschähe, wenn es „nach dem Vollzug der nächsten großen Baumaßnahmen zu dem kommt, was so sicher ist wie das Amen in der Kirche: zu den nächsten gewaltigen Kostensteigerungen?“, fragen die prominenten Projektgegner. Könne es dann dabei bleiben, „dass das Land und die Stadt sagen: Mir gäbet nix“? Das wäre wohl schwierig, meinen Sittler, Lösch, Leidig und Hopfenzitz und kleiden ihre Befürchtung in folgenden Satz: „Das Erpressungspotenzial der Bahn gegenüber Stadt, Land und Region, sich an den Mehrkosten zu beteiligen, wird von Bauabschnitt zu Bauabschnitt größer.“

Nach Lesart des Ministerpräsidenten gehört zu den Rahmenbedingungen, unter denen die Bürger seinerzeit abgestimmt haben, auch der Hinweis auf einen Kabinettsbeschluss der grün-roten Landesregierung. Dieser besagt, dass sich das Land nicht über die genannten 930 Millionen Euro an Stuttgart 21 beteiligen werde. Kretschmanns Schlussfolgerung: „Soweit aktuelle und mögliche zukünftige Kostensteigerungen des Projektes von der Bahn getragen werden und sich die Kostenbeteiligung des Landes nicht verändert, bleibt auch die Grundlage für die Volksabstimmung bestehen.“

Weil sie bereits im Vorfeld des Plebiszits um die Bedeutung der Geldfrage wusste, habe die Regierung schon damals die drohenden Mehrkosten und die ungeklärte Frage nach dem Finanzier derselben thematisiert. Dennoch habe „die Bevölkerungsmehrheit den Argumenten der Befürworter von S 21 mehr Gewicht beigemessen und entschieden, das Land solle nicht einseitig aus dem Finanzierungsvertrag aussteigen“. An dieses Votum, so Kretschmann, sei die Landesregierung auch weiterhin gebunden – „zwar nicht formal-juristisch, aber doch politisch“.

Was die Mehrheit der Bürger letztlich dazu bewogen hat, gegen den Ausstieg des Landes aus S 21 zu votieren, „wissen wir nicht“, schreibt der Ministerpräsident. Das lasse sich auch im Nachhinein nicht mehr ermitteln. Er meine aber, dass neben der Kostenfrage auch andere Gesichtspunkte willensbildend gewesen seien.

Die Contra-Argumente

Während Ministerpräsident Kretschmann und die Mehrheit im Landtag, im Stuttgarter Gemeinderat und in der Regionalversammlung unumwunden zur Bindung des Votums der S-21-Volksabstimmung stehen, zweifeln zumindest zwei namhafte Grünen-Politiker diese Bindung an: Verkehrsminister Winfried Hermann und Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Beide haben gegenüber der Stuttgarter Zeitung betont, dass die Legitimation des Volksentscheids in Anbetracht der von der Bahn eingeräumten Kostenexplosion „zunehmend zerbröselt“.

Noch weiter geht der Rechtswissenschaftler Joachim Wieland, der an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer lehrt und einer der Väter der Volksabstimmung ist. Wieland sagt, dass das Bürgervotum nicht mehr verbindlich sei. Der Grund: das Volk habe den Ausstieg aus dem Finanzierungsvertrag seinerzeit unter der Prämisse abgelehnt, dass die gesamten Baukosten den gesetzten Deckel von 4,526 Milliarden Euro nicht überschritten. Nachdem die Bahn nun aber Mehrkosten von 1,1 Milliarden Euro und weitere Risiken von bis zu 1,2 Milliarden Euro eingeräumt habe, sei die Grundlage der Abstimmung nicht mehr existent. Damit sei auch ein Ausstieg aus Stuttgart 21 möglich.

Bahn hat die Grundlagen der Volksabstimmung „einseitig verletzt“

Das sehen die S-21-Gegner Walter Sittler, Volker Lösch, Sabine Leidig und Egon Hopfenzitz genauso. In seiner Antwort auf das Schreiben von Ministerpräsident Kretschmann (siehe nebenstehenden „Pro“-Text) argumentiert das Quartett, dass die Bahn die Grundlagen der Volksabstimmung „einseitig verletzt“ habe. Wenn die Bahn „ein Jahr nach Abhalten der Volksabstimmung und noch vor dem eigentlichen Baubeginn mitteilt, der Kostendeckel werde um bis zu zwei Milliarden Euro gesprengt, dann ist doch sie es, die eine Legitimierung des S-21-Projekts durch die Volksabstimmung torpediert“. Dass die Kostenbeteiligung des Landes in den bestehenden Verträgen zwischen den Projektpartnern auf 930 Millionen Euro gedeckelt ist, habe „nichts mit der Frage zu tun, ob die Volksabstimmung weiterhin als bindend angesehen wird“. Schließlich sei auch der Kostendeckel des gesamten Projekts in der Finanzierungsvereinbarung festgeschrieben gewesen.

Was aber geschähe, wenn es „nach dem Vollzug der nächsten großen Baumaßnahmen zu dem kommt, was so sicher ist wie das Amen in der Kirche: zu den nächsten gewaltigen Kostensteigerungen?“, fragen die prominenten Projektgegner. Könne es dann dabei bleiben, „dass das Land und die Stadt sagen: Mir gäbet nix“? Das wäre wohl schwierig, meinen Sittler, Lösch, Leidig und Hopfenzitz und kleiden ihre Befürchtung in folgenden Satz: „Das Erpressungspotenzial der Bahn gegenüber Stadt, Land und Region, sich an den Mehrkosten zu beteiligen, wird von Bauabschnitt zu Bauabschnitt größer.“