Winfried Hermann und Winfried Kretschmann werben im Theaterhaus für die Volksabstimmung. Die Grünen setzen nun ganz auf die Kostenfrage.

Stuttgart - Ist der Kostenrahmen für das Projekt Stuttgart 21 bereits ausgeschöpft? "Die Kosten steigen und sind kurz davor, den Kostendeckel zu sprengen", hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Donnerstagabend bei einer Mobilisierungsveranstaltung zur Volksabstimmung am 27. November im Stuttgarter Theaterhaus gesagt. Der Regierungschef warb vor 700 Zuhörern für eine Teilnahme an der ersten Volksabstimmung in Baden-Württemberg. Der 27. November sei ein ganz besonderer Tag, ein "Festtag für die Bürgergesellschaft".

 

Kretschmann verwies darauf, dass alle Versuche, das Zustimmungsquorum von einem Drittel der Wahlberechtigten abzusenken, in der Vergangenheit im Landtag gescheitert seien. Das ist nur mit einer verfassungsändernden Zweidrittelmehrheit im Parlament möglich. "Die Verfassung gilt, so wie sie geschrieben ist", sagte der Regierungschef, "und daran müssen wir uns als gute Demokraten auch halten." Erste Meldungen aus den Kommunen über die Zahl der bereits angeforderten Briefabstimmungsunterlagen ließen aber die Hoffung zu, dass es zu einer hohen Wahlbeteiligung kommen. "Ich habe ja mal gesagt, dass ich auf ein Wunder hoffe", sagte Kretschmann.

Die Grünen setzen auf die Kostenfrage

Die Choreografie der Veranstaltung machte deutlich, dass die Grünen der heißen Phase ihrer Kampagne ganz auf die Kostenfrage setzen, die laut Kretschmann völlig unabhängig von der Volksabstimmung zu sehen sei. Der Regierungschef verwies auf die neu im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, die es den Ländern vom Jahr 2020 an im Normalfall verbietet, neue Schulden aufzunehmen. Da müsse er darauf achten, "dass ich keine unnötigen Milliardenrisiken eingehe". Deshalb habe er auch die Bahn dazu aufgefordert, alle Mehrkosten jenseits der 4,5 Milliarden Euro zu übernehmen und dies auch öffentlich zu erklären. Kretschmann sagte, er werde sich nicht sehenden Auges in eine Situation bringen lassen, in der die Kosten steigen und mitten in der Stadt einer der größten Baustellen Europas der Stillstand drohe. In diesem Fall werde die normative Kraft des Faktischen das Land zum Zahlen zwingen, worauf er sich nicht einlassen wolle.

Zuvor hatten Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und der Bahnexperte Michael Holzhey argumentativ das Feld für den Regierungschef bereitet. Hermann sagte, der Bau von Stuttgart 21 werde im Nahverkehr wie auch im Regionalverkehr andere Vorhaben kannibalisieren. Hermann verwies auf Aktenvermerke früherer Landesregierungen, in denen davon die Rede ist, dass Nahverkehrsmittel auf Stuttgart 21 konzentriert und Fördersätze gesenkt werden müssen.

Der bereits aus der Geißler-Schlichtung bekannte Verkehrsökonom Holzhey, der inzwischen auch für das Verkehrsministerium arbeitet, prognostizierte die Kosten für Stuttgart 21 auf 6,5 Milliarden Euro. Die Mehrkosten von zwei Milliarden Euro werden seiner Auffassung zufolge zur Hälfte vom Land, Region und Flughafen getragen werden. Wegen der Verzögerung des Planfeststellungsverfahrens für den Flughafenabschnitt werde der Tiefbahnhof 3,5 Jahre später als geplant in Betrieb gehen.

Dahlbender kündigt weiteren Widerstand an

Und die Neubaustrecke nach Ulm lasse aus fiskalischen Gründen ebenfalls auf sich warten. Holzhey rief die Stuttgart-21-Gegner auf, auch nach der Volksabstimmung in ihrem Protest nicht nachzulassen. Wenn die Volksabstimmung eine Mehrheit für den Ausstieg erbringen, dann sei das Projekt unabhängig vom Zustimmungsquorum noch zu stoppen. "Ich möchte sehen, ob bestimmte Kräfte dann noch ernsthaft wagen, diesen Bau zu beginnen. Ohnehin gebe es noch eine Frist von einem Jahr für das Kippen des Projekts, vorher werde der Fildertunnel nicht angestochen.

Die BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender sagte, sie werde in jedem Fall im Rahmen der noch ausstehenden Planfeststellungsverfahren das Ihre tun, um Stuttgart 21 zu verhindern.