Die beantragte Entnahme höherer Wassermengen bleibt umstritten. Die Bahn muss doppelt so viel Wasser abpumpen wie ursprünglich geplant.

Stuttgart - Die Deutsche Bahn geht davon aus, dass für die beantragte Verdoppelung der Grundwasserentnahme beim Bau des Tiefbahnhofs kein neues, zeitaufwendiges Planfeststellungsverfahren nach dem Eisenbahngesetz nötig sein werde. Selbst eine weniger aufwendige Planänderung sei beim Eisenbahnbundesamt (Eba) nicht eingereicht worden. Die Aufsichtsbehörde hat dagegen am Dienstag gegenüber der StZ bestätigt, dass die Bahn für diverse Bauabschnitte von Stuttgart 21 sehr wohl einen Planänderungsantrag gestellt habe. Der beziehe sich allerdings lediglich auf die wasserrechtliche Genehmigung. Dass dies ausreicht, bezweifeln die von der Landesregierung beauftragten Juristen. Sie kommen zu dem Schluss, es bedürfe sowohl einer wasserrechtlichen Erlaubnis als auch einer Änderung des gesamten Planfeststellungsbeschlusses. Das Kommunikationsbüro will am Mittwoch zu den Interpretationen Stellung nehmen.

 

Mit dem Antrag soll das Abpumpen von bis zu 6,8 Millionen Kubikmeter Wasser statt der in der Baugenehmigung festgeschriebenen drei Millionen Kubikmeter gestattet werden. Wie berichtet, hatten die Stadt als untere Wasserbehörde und das Landesumweltministerium die Unterlagen, die die DB dem Eisenbahnbundesamt vorgelegt hat, für nicht ausreichend erachtet. Im Lenkungskreis, in dem die Träger des Milliardenprojekts vertreten sind, wurde vereinbart, dass die Bahn die fehlenden Gutachten zum Schutz des Mineralwassers binnen sechs bis acht Wochen vorlegt. Die Bahn müsse belegen, dass das Abpumpen der größeren Wassermenge keine nachteiligen Auswirkungen etwa auf den Baumbestand, auf Gebäude und die Mineralquellen habe, betonte der Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD). "Die Frage ist zum Beispiel, ob man zusätzliche Schluckbrunnen braucht." Man verfolge dies "aufmerksam, aber sehr gelassen", sagte Hahn. Es geschehe auch sonst "gelegentlich", dass in Anträgen wie diesen "nicht alles ausdiskutiert" sei.

"Herber Rückschlag für das Bahnprojekt"

Weniger gelassen reagierte allerdings der neue Umweltminister Franz Untersteller. Der Grünen-Politiker fordert ebenfalls Nachbesserungen beim Antrag der Bahn. Für die Stadt Stuttgart gehe es beim Schutz der Mineralquellen "nicht um irgendwelche Kinkerlitzchen", betonte Untersteller, "ich hätte erwartet, dass die Bahn mit größerer Sensibilität mit diesem Thema umgeht".

Das von der Landesregierung in Auftrag gegebene Rechtsgutachten ist, wie berichtet, zum Ergebnis gelangt, die Verdoppelung der Grundwasserentnahme erfordere zwingend eine neue Baugenehmigung. Ein Planänderungsverfahren könnte eine monatelange Verzögerung der Bauarbeiten nach sich ziehen. Die Grünen im Gemeinderat sprechen schon jetzt von einem herben Rückschlag für das Bahnprojekt Stuttgart 21. "Vor der Hacke ist es dunkel und jetzt auch noch nass", so die Stadträte Peter Pätzold und Werner Wölfle. Nach ihrer Auffassung gefährdet die Verdoppelung der Grundwasserentnahme nicht nur möglicherweise die Mineralwasserströme; es sei nicht auszuschließen, dass auch die Umgebung der Baustelle für den Tiefbahnhof trockengelegt werde.

Dies, so die Stuttgarter Grünen, könne zu Schäden an vorhandenen Gebäuden wie dem Hauptbahnhof, dem Königin-Katharina-Stift, den SSB-Tunneln unter der Adenauerstraße und den beiden Staatstheatern führen. "Wo schwere Gebäudeteile wie zum Beispiel die Bühnentechnik der Theater in bisher feuchtem Untergrund stehen, besteht die Gefahr einer Senkung der Fundamente", mutmaßen die Grünen. Es bestehe das Risiko einer zumindest vorübergehenden Einstellung des Spielbetriebs. In einem Antrag an die Verwaltung fordern sie Aufklärung über die Sachlage und fragen, ob die neuen Erkenntnisse Auswirkungen auf die geplante Gründung des Tiefbahnhofs hätten.

Die Bahn darf das Rohrsystem weiter aufbauen

Der Geologe Ralf Laternser, der in der Schlichtung vor einer Gefährdung des Mineralwassers gewarnt hatte, spricht von einer "schwerwiegenden Falschberechnung und Fehleinschätzung", die das Grundwassermanagement infrage stelle. Betrachte man den fachlichen, zeitlichen und finanziellen Aufwand für die Planung des Wassermanagements, so müsse man von einem "Offenbarungseid" sprechen. Er erinnert daran, dass der Arbeitskreis Wasserwirtschaft in den Jahren 1989 bis 2006 insgesamt 120-mal getagt habe und im Jahr 1998 zusätzliche Unterarbeitskreise gegründet worden seien, von denen allein der für das Grundwasser verantwortliche 35-mal zusammengekommen sei.

Trotz der Ungewissheit über die Wassermengen dürfe die Bahn das Rohrsystem weiter aufbauen, nur eben nicht in Betrieb nehmen, solange die Genehmigung fehle, so der Projektsprecher Dietrich. Am Dienstag wurde an den Wasseraufbereitungsstraßen gearbeitet. Auf kürzere Sicht benötige die DB das System noch nicht. Nötig sei es für die Verlegung des Nesenbachdükers. Der Bau eines Technikgebäudes an der Nordseite des Bahnhofes wäre laut Dietrich auch ohne Grundwassermanagement möglich, weil es nicht in einer wasserführenden Schicht gründe. Die Bahn werde dies nicht tun, sagte Dietrich: "Denn das wäre eine Provokation."