Die Projektgegner wollen keine Grünen Sprecher mehr, wählen ein neues Spitzentandem und bereiten sich auf das Ende des Baustopps vor.  

Stuttgart - Ist es nur die Ruhe vor dem Sturm? Nach der Ankündigung der Deutschen Bahn, von Dienstag an die Bauarbeiten für das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 wieder aufnehmen zu wollen, ist am Pfingstwochenende rund um den Bahnhof trotzdem entspannte Stimmung gewesen. Im Schlossgarten herrschte Hochbetrieb im Biergarten, das Camp der "Parkschützer" dagegen war weitgehend verwaist. Vor dem Eingang zur Zentrale des Grundwassermanagements hielten ein paar Aktivisten die Stellung. Am Dienstagfrüh wollen sie erneut die Zufahrt zur Anlage blockieren, per Transparent werden Autofahrer zum "Hupen für den Baustopp" aufgefordert.

 

An der Mahnwache vor dem Nordausgang des Bahnhofs gab es vereinzelt Diskussionen über den angekündigten Weiterbau. Am Dienstag sollen dort laut Bahn hinter dem Bauzaun zunächst die Reste des bereits weitgehend abgebrochenen Nordflügels abgerissen sowie mit vorbereitenden Arbeiten für den Bau des unterirdischen Technikgebäudes begonnen werden. Noch wird das Zelt der Projektgegner geduldet - wie lange, weiß niemand. Verbittert sind viele Gegner vor allem über zwei Dinge: dass die Bahn vor dem Weiterbau nicht das Ergebnis des Stresstests abwarten will und dass die realen Kosten des Projekts weiterhin nicht auf den Tisch gelegt werden. "Das ist die größte Frechheit", so ein älterer Herr am Bauzaun, der seinen Namen aber nicht in der Zeitung lesen will.

Offiziell kalkuliert die Bahn mit Baukosten von 4,088 Millionen Euro für den Bau des Tiefbahnhofs und seiner Tunnelanschlussstrecken. Für unvorhersehbare Mehrkosten ist zudem der sogenannte Risikotopf mit 438 Millionen Euro gefüllt. Ob das von Bahn-Chef Rüdiger Grube gesetzte Kostenlimit von 4,5 Milliarden Euro tatsächlich eingehalten werden kann, ist freilich offen. Nach Recherchen der Stuttgarter Zeitung hat die Bahn bisher die in der Schlichtung mit rund 750 Millionen Euro bezifferten Kostenrisiken etwa um die Hälfte reduzieren können. Es verbleibt aber noch ein Restbetrag von mehr als 300 Millionen Euro an Kostenrisiken. Die Bahn hofft, diese Summe bis zur Vorlage des Stresstestergebnisses Mitte Juli ebenfalls einsparen zu können.

"Die Bahn hat den Fehdehandschuh in den Ring geworfen"

Unterdessen gibt es auf Seiten der Projektgegner ebenfalls Unstimmigkeiten über die weitere Strategie im Kampf gegen das Milliardenprojekt. Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 hat auf einer Klausurtagung am Wochenende mehrheitlich beschlossen, dass künftig keine Grünen-Politiker mehr dem Sprecherrat des Bündnisses angehören sollen. Offiziell begründet wurde dies damit, dass die Partei nun die Mehrheit in der Landesregierung stelle. Zum neuen Spitzentandem der Gegner wurden die Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Brigitte Dahlbender, sowie der Stuttgarter SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch gekürt. Sowohl die Grünen-Regionalrätin Irmela Neipp-Gereke als auch BUND-Regionalgeschäftsführer Gerhard Pfeiffer gehören dem Gremium nicht mehr an. Beobachter deuten die neue Struktur auch als Misstrauensvotum gegenüber der Ökopartei. Allerdings gab es offenbar auch parteiintern Stimmen, die vor dem Spagat zwischen außerparlamentarischer Opposition und Regierungsverantwortung gewarnt hatten. Die Grünen blieben aber Mitglied im Aktionsbündnis, betonten Vertreter der Ökopartei gegenüber der StZ.

Derweil haben Bahn und Landesregierung nochmals ihre unterschiedlichen Positionen bekräftigt. Bahn-Chef Rüdiger Grube verteidigte am Wochenende das Ende des Baustopps unter Hinweis auf geltende Verträge und Baubeschlüsse. Es sei sehr wichtig, dass keiner der Projektpartner bei Stuttgart 21 einen Baustopp beantragt habe. Dies habe Signalwirkung über die Landesgrenzen hinaus, so der Konzernchef: "Würden erworbenes Baurecht und gültige Planfeststellungsverfahren in Deutschland nichts mehr gelten, hätte das für das Land nicht abzusehende negative Folgen." Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) dagegen warf dem Schienenkonzern vor, damit vom Schlichterspruch abzuweichen: "Es wäre redlich gewesen, bis zum Ergebnis des Stresstests keine weiteren Baumaßnahmen vorzunehmen", sagte er. Diese Erwartung werde nun aber von der Bahn konterkariert.

Die Fraktion SÖS/Linke im Rathaus bediente sich gar der Diktion des Ex-Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU). Die Bahn habe "den Fehdehandschuh in den Ring geworfen", hieß es dort. Hoffentlich ist das kein böses Omen. Zur Erinnerung: nachdem Mappus im vergangenen Jahr den "Fehdehandschuh" der Gegner aufgenommen hatte, kam es am 30. September im Schlossgarten zur Eskalation zwischen Polizei und Protestierern.