Stuttgart 21 sprengt alle bisherigen Kosten-Vorhersagen. Im Aufsichtsrat der Bahn ist man ziemlich sauer. Und die Nervosität wächst: Jetzt wollen sich die Kontrolleure gegen ein persönliches Haftungsrisiko absichern.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

In der Führungsetage der Deutschen Bahn ist die Sorge groß, für die Mehrkosten beim Bahnprojekt Stuttgart 21 auch persönlich haftbar gemacht zu werden. Wie die Stuttgarter Zeitung aus Kreisen des Aufsichtsrats erfuhr, will das Kontrollgremium unter Leitung des Vorsitzenden Utz-Hellmuth Felcht deshalb ein Rechtsgutachten in Auftrag geben. Damit sollen die Haftungsrisiken der 20 Aufsichtsräte bei S 21 geprüft werden.

 

„Teils empört, teils sehr besorgt“ habe der DB-Aufsichtsrat in der Sitzung die erneute Kostenexplosion zur Kenntnis genommen, berichten Teilnehmer. Mit Blick auf das Finanzdebakel beim Berliner Flughafen und die schweren Turbulenzen beim Stahlkonzern Thyssen-Krupp sei bei vielen Kontrolleuren nun die Sorge groß, für die Fehlentwicklungen ebenfalls zur Rechenschaft gezogen zu werden. Dieses Risiko solle durch das Rechtsgutachten nun geprüft werden.

Bei der Aufsichtsratssitzung am vergangenen Mittwoch hatte der Konzern eingeräumt, Stuttgart 21 werde mindestens 5,6, vielleicht sogar 6,8 Milliarden Euro kosten. Bisher war man von maximal rund 4,5 Milliarden Euro ausgegangen.

Haften die Aufsichtsräte persönlich?

Angesichts dieser Mehrkosten stehe für die Aufsichtsräte, so heißt es, mehr denn je auch die eigene persönliche Haftung im Mittelpunkt. Zumal die Kritik an S 21 nun erneut verstärkt hochkoche und zu den Gegnern auch Juristen, Anwälte und Richter zählen, die Strafanzeigen nicht scheuten. Mit dem Gutachten wollen die DB-Kontrolleure dem Vernehmen nach unter anderem prüfen lassen, ob die vorhandene Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, die auf Kosten des Konzerns für alle Aufsichtsräte besteht, mögliche Schadenersatzansprüche von dritter Seite abdecken würde. Die Police sieht nach Informationen der StZ keine Eigenbeteiligung der Kontrolleure vor.

Schon vor der Aufsichtsratssitzung am Mittwoch hatte Bahn-Chef Rüdiger Grube erklärt, dass der Staatskonzern eine Ausführungsverpflichtung habe und ein Ausstieg trotz der Mehrkosten rechtlich nicht möglich sei. Im Finanzierungsvertrag zu Stuttgart 21 wird das Recht auf eine außerordentliche Kündigung allerdings nicht ausgeschlossen. Die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg als wichtigste Projektpartner können die neue Kalkulation des Bahn-Vorstands derweil nicht nachvollziehen. „Zum Zahlenwerk können wir erst etwas sagen, wenn wir es verstanden haben“, erklärte ein Sprecher von OB Wolfgang Schuster (CDU) auf Anfrage. „Wir haben hier einige Fragen, die erst noch geklärt werden müssen.“

Auf Antrag der Grünen wird Stuttgart 21 am Freitagnachmittag auch in der Aktuellen Stunde im Bundestag eines der Hauptthemen sein. Zudem hat die SPD im Bundestag angesichts der enormen Mehrkosten für den heutigen Freitag eine Sondersitzung des Verkehrsausschusses beantragt.