Bei einer Info-Veranstaltung für vom Bau von Stuttgart 21 betroffenen Eigentümer treten Differenzen zu Tage. Teilweise gehen bei der Veranstaltung im Rathaus die Wogen hoch.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Mit Argwohn betrachten zahlreiche Haus- und Grundbesitzer das Angebot der Bahn, das der Schienenkonzern jenen unterbreitet, die von den Bauarbeiten für Stuttgart 21 betroffen sind. Das ist bei einem Informationsabend deutlich geworden, zu dem die projektkristischen Netzwerke Stuttgart zusammen mit der Gemeinderatsfraktion der Grünen am Mittwochabend ins Rathaus eingeladen hatten. Peter Sturm, Geschäftsführer der DB-Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm, der nicht auf der Rednerliste stand, versuchte gleichwohl die Wogen zu glätten – mit nur mäßigem Erfolg.

 

Gültigkeit der Baugenehmigung wird angezweifelt

Zuvor war es an Nina Homoth vom Regierungspräsidium Stuttgart, die rechtlichen Grundlagen zu erläutern, die im Extremfall auch zu einer Enteignung führen können, falls sich Bahn und Grundstückseigentümer nicht verständigen. Aus Sicht der Besitzer müssen die Ausführungen der Regierungsdirektorin ernüchternd geklungen haben. „Ein Planfeststellungsbeschluss hat enteignungsrechtliche Vorwirkung“, erklärte die Expertin. Im Klartext: hat ein Vorhaben erst einmal das Plazet der Genehmigungsbehörde, droht die Enteignung. Und wer sich im Verfahren, das zur Baugenehmigung geführt hat, nicht zu Wort gemeldet hatte, dem steht hernach auch nicht der Klageweg offen. Erläuterungen, die Widerspruch beim ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Peter Conradi provozierten. Was, so fragte der langjährige S-21-Gegner, passiere, wenn sich im Nachgang herausstelle, dass die Genehmigung auf Grundlage falscher Annahmen getroffen wurde. Homoth empfahl den Gang zur Genehmigungsbehörde. Die – in diesem Fall das Eisenbahn-Bundesamt – prüfe dann, ob das Verfahren gegebenenfalls neu aufzurollen sei. Das Publikum vernahm’s und quittierte dies mit höhnischem Gelächter.

Dissens über Berechnungsgrundlage der Entschädigung

Homoths Erläuterung, dass die Bahn zunächst den Besitzern „ein angemessenes Angebot“ unterbreiten und sich dieses am Verkehrswert der betroffenen Immobilie zu orientieren habe, konterten mehrere Anwesende mit dem Hinweis, in ihren Bahn-Angeboten sei der Bodenrichtwert zu Grunde gelegt worden. Der werde aber für ganze Quartiere ermittelt, einzelne Grundstücke könnten durchaus höher zu bewerten sein. Sturm erklärte, dass die Bahn als Ausgangsbasis den Bodenrichtwert heranziehe, „den im Übrigen die Stadt jährlich aktualisiert“. Natürlich betrachte man im Verfahren aber jede Immobilie gesondert – was zu Nachbesserungen führen könne. Sturm beteuerte, der Bahn sei an Einigungen gelegen, nicht an Auseinandersetzungen. Im Übrigen wolle die Bahn ja auch nicht den Besitz erlangen, sondern das Recht im Grundbuch eintragen lassen, einen Tunnel unter den Grundstücken zu bauen. Warum diese Eintragung an erster Stelle erfolgen müsse und damit im Zweifel eine finanzierende Bank auf einen zweiten Rang verdrängt, blieb ungeklärt.

Dass Grund- und Hausbesitz nicht nur eine wirtschaftliche sondern auch eine emotionale Angelegenheit ist – zumal in Deutschlands Südwesten –, machte eine Episode deutlich, in der sich eine Frau gar nicht mehr beruhigen wollte. Grünen-Stadträtin Clarissa Seitz beschied der Dame schließlich, dass dies eine Info-Veranstaltung sei und nicht die Montagsdemo.