Der Verkehrsminister Winfried Hermann widerspricht dem Bahnchef Rüdiger Grube bezüglich der ICE-Neubaustrecke zwischen Wendlingen und Ulm.

Stuttgart - Mit seiner Äußerung StZ-Interview am Dienstag, ohne Stuttgart 21 werde die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm nicht gebaut, hat Bahn-Chef Rüdiger Grube Widerspruch provoziert. Das sei "völliger Unsinn", konterte die Landesvorsitzende des BUND und Sprecherin des Aktionsbündnisses gegen S21, Brigitte Dahlbender.

 

Dem Vorstandschef gehe es vor der Volksabstimmung am 27. November offenbar um "gezielte Stimmungsmache". Mit dem baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ist sich Dahlbender einig, dass die Neubaustrecke auch an den Kopfbahnhof angebunden werden könnte. "Das haben wir in der Schlichtung nachgewiesen, und die Bahn hat es selbst bestätigt", erklärte die Bündnissprecherin. Unterstützt werden die Kritiker auch von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne): "Das ist Abstimmungsgetöse."

Neubaustrecke ohne S21 sinnlos

Nicht die Bahn entscheide, welche neuen Schienenstrecken gebaut werden, sondern der Bund, erklärte Hermann. Der Schienenkonzern sei verpflichtet, die Vorgabe des Souveräns umzusetzen. Finanziert werde die Strecke ausschließlich von Bund und Land; die Kosten belaufen sich derzeit auf 2,9 Milliarden Euro. Würde sich der Konzern verweigern, lasse sich ein anderes Unternehmen finden, das den Willen des Gesetzgebers, die Trasse zu bauen, übernehme, so Hermann.

Der FDP-Verkehrsexperte Jochen Haußmann meinte dagegen, es sei eine bahntechnische Selbstverständlichkeit, dass ohne Stuttgart 21 die Neubaustrecke überhaupt keinen Sinn ergebe. Grube habe zu Recht davon gesprochen, dass der Abschnitt dann "im Acker ohne Anschluss an den Bahnhof enden" würde.

Hermann verwies darauf, dass die Bahn früher selbst eine Vernetzung der Neubaustrecke mit der bestehenden Station geplant habe: Deshalb entspreche der Finanzierungsanteil des Bundes an Stuttgart 21 dem Betrag, der nötig wäre, die Strecke an den Kopfbahnhof anzubinden. Dies war Hermann im vergangenen Jahr vom Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) bestätigt worden.

Ramsauers Sinneswechsel

Auf eine Anfrage des damals als Bundestagsabgeordneter aktiven Grünen erinnerte Ramsauer in seiner Antwort an den vom Bund zugesagten Festbetrag für Stuttgart 21 von 563,8 Millionen Euro. Dies sei jener Anteil, "der für die Einbindung der Neubaustrecke in den Konten Stuttgart auch ohne Verwirklichung von Stuttgart 21 erforderlich gewesen wäre", heißt es in der Drucksache 17/3446.

Davon wollte Ramsauer unmittelbar nach dem Regierungswechsel im Land allerdings nichts mehr wissen: Ohne den Tiefbahnhof auch keine Neubaustrecke, stellte er in der ersten Erregung klar. In seinem Ministerium formulierte man deutlich zurückhaltender: Auf Grubes Äußerungen angesprochen, betonte eine Sprecherin, die Einbindung der Neubaustrecke werde "nach den derzeitigen Planungen" im Rahmen von Stuttgart 21 realisiert.

Sie verwies aber ausdrücklich auf die überregionale Bedeutung des "Abschnitts der transeuropäischen Magistrale Paris-München-Wien- Budapest". Dieser sei gerade deshalb "Bestandteil der Ausbaustrecke Stuttgart- Ulm-Augsburg" und als solcher "im vordringlichen Bedarf des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege enthalten". Wichtig war ihr auch zu betonen, dass der Bau der Strecke schon begonnen habe.

Kein Bauherr würde die Strecke ohne S21 realisieren

Grubes Behauptung steht auch im Widerspruch zu Aussagen im Planfeststellungsbeschluss für den Streckenast Kirchheim-Aichelberg. Dort steht, dass auf die Auswahl der Gesamtkonzeption einer autobahnnahen Trasse "die Ausgestaltung des Bahnknotens keinen unmittelbaren Einfluss" habe.

Alle "Umgestaltungs- und Beibehaltungslösungen" für den Bahnhof ließen sich demnach auch an die Neubaustrecke bei Wendlingen anschließen. "Für die alternative Anbindung gibt es allerdings weder eine Planfeststellung noch einen Finanzierungsvertrag", hatte Grube der StZ gesagt: "Es gäbe auch keinen Bauherrn, der die Strecke ohne Stuttgart 21 realisieren würde. Es ist eine Mär, der Bevölkerung etwas anderes zu erzählen."