Ein Team von Bodenkundlern hat bei Grabungen auf der Stuttgart-21-Baustelle einen Sandsteinkopf entdeckt. Die Experten sind sich noch nicht einig, wie alt das Stück ist.

Stuttgart - Er wäre wohl für immer im Stuttgarter Untergrund verborgen geblieben, würde es nicht Menschen wie Andreas Lehmann geben, die in der Tiefe nach Geschichten und Geschichte suchen. Gefunden hat der Bodenkundler von der Universität Hohenheim mit seinen Kollegen nun einen in Sandstein gemeißelten Kopf, der in etwa 1,20 Meter Tiefe mitten im Mittleren Schlossgarten lag. Ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswertes Stück.

 

Aus welcher Zeit das Werk stammt, das wohl einst als so genannte Bauplastik zur Verzierung einer Gebäudefassade gedacht war, darüber sind sich die Experten noch nicht einig. Fritz Fischer vom Landesmuseum Württemberg schätzt die Herstellungszeit des Fundstücks auf Mitte des 16. Jahrhunderts. Susanne Arnold, zuständige Archäologin für Mittelalter und Neuzeit beim Landesamt für Denkmalpflege, spricht dagegen von einer „goethezeitlichen Einordnung“, also vom 18./19. Jahrhundert. Auffallend sei, dass der Kopf nur im oberen Teil, an Stirn und Augenpartie, ausgeprägt bearbeitet worden sei. „Er ist aus irgendwelchen Gründen vermutlich nicht fertig geworden“, sagt die Archäologin. Sie hält den Sandsteinkopf zudem für einen „zufälligen Fund“. Es gebe keine Hinweise auf eine archäologische Struktur, also auf weitere historische Hinterlassenschaften in der Tiefe des Mittleren Schlossgartens, die umfangreiche Grabungen zwingend notwendig machen würden.

Eigentlich hatten die Bodenkundler andere Ziele

Gesucht hatten die Bodenkundler um Andreas Lehmann auf dem Gelände, auf dem demnächst der Stuttgarter Tiefbahnhof gebaut werden soll, eigentlich nach Erkenntnissen, wie sich der Boden im Schlossgarten über die Jahrhunderte entwickelt hat. Vor langer Zeit sei der Bereich ein unwirtliches Sumpf- und Moorgebiet gewesen, sagt Lehmann. Bei genauem Hinsehen sei zu erkennen, dass schon früh ein unglaublicher Einsatz für gute Bodenqualität gezeigt worden sei. Die Landwirte hätten vermutlich schon im 16. Jahrhundert den typischen schweren Stuttgarter Boden aus der Umgebung auf die nasse Nesenbachaue gebracht. Zur Verbesserung der Qualität sei er wohl zudem sorgfältig gesiebt und mit Sand und Keramikabfällen vermischt worden, damit er leichter und wasserdurchlässig wird. Zahlreiche solcher Keramikscherben haben die Bodenkundler neben alten Wasserrohren bei ihren fünftägigen Grabungen in den ausgehobenen Kanälen für die Fernwärmeleitungen ebenfalls gefunden. Auf diesem Weg, so Lehmann, sei im wörtlichen Sinn der Boden für den Schlossgarten bereitet worden.

Der Stuttgarter Kopf kommt zunächst nach Rastatt

Der Wissenschaftler hatte sein Anliegen, für ein Forschungsprojekt der Uni Hohenheim auf dem gesperrten Baufeld Bodenproben nehmen zu dürfen, der Bahn vorgetragen. Diese habe relativ schnell grünes Licht gegeben, erzählt er. Die Proben über verschiedene Bodenschichten sollen nun analysiert werden, danach sind die so genannten Bodenmonolithe zudem ein Fall fürs Museum; sie sollen im neuen Stadtmuseum, das im Wilhelmspalais eröffnet wird, als Exponat in die Ausstellung kommen und die Entwicklung des Schlossgartens dokumentieren. Interessant sei, so Lehmann, mit welchem Wissen und Aufwand damals ein gesunder Boden geschaffen wurde. Nur deshalb hätten die alten Parkbäume Trockenstress, Umweltverschmutzung und Stürmen widerstanden.

Näher untersucht werden soll in den nächsten Wochen auch der alte Sandsteinkopf, um vielleicht doch noch eine exaktere Bestimmung seiner Herkunft vornehmen zu können. Anschließend werde er zunächst im zentralen Funddepot der Denkmalpflege in Rastatt eingelagert, so Susanne Arnold. Letztlich wird aber auch er seine Geschichte im Stadtmuseum erzählen.